„Geächtet“ – ein psychologisches Kammerspiel

Geaechtet Schauspielhaus Salzburgv.l.n.r.: Lukas Bischof (Abe), Juliane Schwabe (Emily), Bülent Özdil (Amir)

Das Erstlingswerk des pakistanisch-amerikanischen Autors Ayad Akhtar wurde 2013 mit dem Pulitzer Preis ausgezeichnet und erhielt 2017 den Nestroy für das beste Stück (Autorenpreis). Am 8. Mai 2018 feierte die viel gespielte US-Tragödie in der Regie von Christoph Batscheider im Schauspielhaus Salzburg Premiere.

Elisabeth PichlerVon Elisabeth Pichler

Geaechtet Schauspielhaus SalzburgDer erfolgreiche Wirtschaftsanwalt Amir Kapoor lebt mit seiner amerikanischen Frau Emily in einem schicken Loft in New York. Er arbeitet seit Jahren hart in einer renommierten jüdischen Anwaltskanzlei und hofft auf den nächsten Karrieresprung. Als er sich auf Wunsch seines Neffen Abe und auf Drängen seiner Frau für einen inhaftierten Imam einsetzt, wird durch einen Artikel in der „Times“ seine pakistanische Herkunft publik, die er bisher geschickt vertuschen konnte. Bei einer Dinnerparty mit Isaak, einem jüdischen Kunstkurator, der Emily eine Präsentation ihrer Bilder in Aussicht stellt, und dessen Frau Jory, einer erfolgreichen Anwältin, die in derselben Kanzlei wie Amir arbeitet, beginnt es schon bald zu brodeln. Die beiden Ehepaare sind nicht zimperlich darin, sich gegenseitig runterzumachen. Bald jedoch geht es nicht mehr nur darum, wer kochtechnisch eine Niete ist, es taucht die pikante Frage auf: Welche Religion hat die größeren Macken? Obwohl Amir seinem Glauben abgeschworen hat, da er mit seiner muslimischen Erziehung hadert und das islamische Frauenbild ablehnt, gibt er zu, dass er beim Einsturz des World Trade Centers Stolz empfunden habe. Die allgemeine Empörung ist groß, die Atmosphäre vergiftet und gehässige Wortduelle sind die Folge. Als Amir auch noch erfahren muss, dass Jory in der Karriere an ihm vorbeizieht und seine Frau ein Verhältnis mit ihrem Kurator hat, rastet er völlig aus. Sein amerikanischer Traum ist ausgeträumt.

Bülent Özdil überzeugt als völlig assimilierter, von sich überzeugter Anwalt ebenso wie als bemitleidenswertes, aus Scham und Selbsthass heulendes Bündel Elend, wenn seine mühsam aufgebaute Fassade zusammenbricht. Seine Gattin (Juliane Schwabe), die in ihren Bildern im Orientalismus schwelgt, kann die Probleme, mit denen ihr Mann zu kämpfen hat, nicht nachvollziehen. Eigentlich trägt sie ja die Schuld an dem ganzen Desaster, hat sie ihn doch dazu gedrängt, für einen Hassprediger Partei zu ergreifen. Isaak (Matthias Hinz) gibt sich als liberaler, jüdischer Intellektueller, der mit seiner Frau (Till Rath) nur selten einer Meinung ist. Amirs frustrierter Neffe Abe (Lukas Bischof) ist in den Fundamentalismus abgedriftet: „Sie haben uns entehrt und jetzt tun sie so, als könnten sie unseren Zorn nicht verstehen.“ Statt in einer schicken Designerwohnung finden die Streitgespräche in der Inszenierung von Christoph Batscheider auf einer edlen Holztreppe statt, die auf den gnadenlosen Abstieg des Protagonisten hinweist (Ausstattung Annett Lausberg).

Ayad Akhtar zeigt in „Geächtet“ (Originaltitel: Disgraced) eindringlich und klar auf, wie sich verschiedene ethnische Gruppen missverstehen, denn die Welt ist eben nicht neutral und daher ein guter Nährboden für Vorurteile und Klischees. Ein spannender Theaterabend, der mit präzisen, pointierten Dialogen das Publikum nicht nur in den USA in seinen Bann zieht.

„Geächtet“ von Ayad Akhtar. Deutsch von Barbara Christ. Regie: Christoph Batscheider. Ausstattung: Annett Lausberg. Dramaturgie: Christoph Batscheider. Mit: Bülent Özdil, Juliane Schwabe, Matthias Hinz, Till Rath, Lukas Bischof. Fotos: Jan Friese

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