Mit Albert Camus‘ Drama über den grausamen und machtgierigen römischen Kaiser Caligula (12 – 41 n.Chr.) wurde am 2. September 2018 die neue Spielzeit am Salzburger Landestheater eröffnet. In der Titelrolle stellt Ben Becker seine Qualitäten als Bösewicht-Darsteller eindrucksvoll unter Beweis.
Der Tod seiner Schwester und Geliebten Drusilla setzt dem jungen Kaiser, der eigentlich wegen seiner Sanftmut geschätzt und geliebt wird, schwer zu. Anfangs verfällt er in Melancholie und wünscht sich den Mond, doch dann wird ihm klar: „Die Menschen sterben, und sie sind nicht glücklich“. Diese Erkenntnis setzt ihm schwer zu und so beschließt er, ein Reich zu schaffen, in dem das Unmögliche herrscht. Er will alle Werte umkehren und seine Freiheit und Macht mit einem Fest des Todes und der Tyrannei feiern.___STEADY_PAYWALL___
Er wird zum Monster und niemand ist vor seiner Grausamkeit sicher, sein „Herz ist eine Folterkammer von Hass“. Nichts kann ihn zufriedenstellen, resigniert stellt er fest: „Die Lebenden helfen nicht gegen die Einsamkeit, nur unter meinen Toten fühl ich mich wohl.“ Geschult in Unterwerfung verbiegen sich seine Ratgeber und Freunde ganz nach den jeweiligen Wünschen ihres Herrschers. Doch endlos ist die Geduld der Gequälten nicht, sie wetzen heimlich die Messer.
Kaiser Caligula irrt im weißen Hermelinmantel (Bühne und Kostüme: Eva Musil) durch den menschenleeren nächtlichen Mirabellgarten, den Phillip Hohenwarter auf die Bühne projizieren lässt, und sehnt sich nach dem Mond. Seine Freunde verstehen diesen Aufstand um den Tod einer Frau nicht. Der Verlust wird jedoch schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen, denn der Kaiser kehrt völlig verändert zurück und wird zum „Wahnsinnigsten aller Tyrannen“. Ben Becker verkörpert diese Rolle intensiv und extrem glaubhaft.
Der Dichter und Mann der Gefühle Scipio (Tim Oberließen) und der Mann des Geldes Patricius (Christoph Wieschke) sind seinen Launen hilflos ausgeliefert. Auch die Geliebte Caesonia (Nikola Rudle) und die Sklavin Helicon (Elisa Afie Agbaglah) haben gegen die Macht- und Gewaltallüren ihres Herrschers, der ihnen kaum Luft zum Atmen lässt, keine Chance. Caligula macht sie alle lächerlich, auch wenn ihm bewusst ist, dass er so seine eigene Ermordung heraufbeschwört.
Der Autor und Dramaturg John von Düffel hat die hoch konzentrierte Textfassung erstellt und führt gemeinsam mit Marike Moiteaux Regie. Der völlige Verzicht auf Gewaltszenen und Blut nehmen den Grausamkeiten Caligulas nichts von ihrer Wirkung. Die schwarze, verspiegelte Bühne und ein Wasserbecken bieten ausreichend Platz für Reflexionen.
Camus sieht sein Drama als „Tragödie der Erkenntnis“, hat er doch das Werk unter dem Eindruck Hitlers umgeschrieben und verschärft. Die Figur des völlig amoralischen Kaisers Caligula spiegelt die Auswirkungen totalitärer Systeme. Die Frage „Wie konnte das geschehen?“ wird das Publikum sicherlich noch einige Zeit beschäftigen.
„Caligula“ von Albert Camus. Inszenierung: John von Düffel und Marike Moiteaux. Bühne und Kostüme: Eva Musil. Musik und Video: Phillip Hohenwarter. Mit: Ben Becker, Nikola Rudle, Tim Oberließen, Elisa Afie Agbaglah, Christoph Wieschke. Fotos: SLT/ © Anna-Maria Löffelberger, Christina Baumann-Canaval
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