„Intakte Bewohner desolater Städte“ – ein groteskes Panoptikum

INTAKTE BEWOHNER DESOLATER STÄDTE

Das Netzwerk für Theater- und Kunstprojekteohnetitel ist bekannt für außergewöhnliche Produktionen. Ihr neuestesTheaterprojekt, eine Koproduktion mit dem Schubert Theater Wien, schickt das Publikumauf „eine bizarre Reise ans andere Ende der Welt“, wo das angsteinflößendeFremde wartet. Die Premiere fand am 4. Dezember 2018 im Saal der ARGEkulturstatt.

Das „Varieté zum Kap der guten Hoffnung“hat wohl schon bessere Zeiten erlebt. Jetzt mühen sich zwei in die Jahregekommene Zauberkünstler (Thomas Beck und Christoph Bochdansky) damit ab, dasPublikum mit ihren verbliebenen vier Kunststücken zu unterhalten: Elefant,Fischhose, schwebende Jungfrau und zersägter Partner. Früher war alles besser,da sind die beiden durch die Welt getingelt und konnten große Erfolge feiern. Aus einem Gruselkaspar-Kostüm schält sich eine elegante Dame (Dorit Ehlers),verschönert sich in der Maske, um dann das Publikum zu fragen: „Wahrheit,Schein und Täuschung, worin liegt der Unterschied?“ Antwort erwartet sie wohlkeine und sie wird auch im Laufe des Abends selbst keine geben. Sie steckt sichlieber ein paar Federn ins Haar, fühlt sich einem Paradiesvogel innig verbundenund erzählt, wie diese bunten Vögel zu ihrem Namen kamen. Die Eingeborenen derMolukken berichteten einst den Seeleuten Magellans, diese Vögel wären vomHimmel gesandt worden, und so wurden sie unter dem Namen Paradiesvögel bekannt.Nach Europa gelangten jedoch nur Bälge ohne Füße, sodass man lange Zeitglaubte, die Tiere hätten keine Füße.

Die hellblaue Bühne (Arthur Zgubic, Alois Elmauer) mit ihren vielen kleinen weißen Fischen, Segelbooten und Landkarten dreht sich ständig, so agieren die Künstler mal vor mal hinter der Bühne. Das macht jedoch wenig Unterschied, denn es wird versichert, dass es in diesem Varieté keine Abgründe, keine Ängste und keine Nöte gäbe. Als die Welt noch eine Scheibe war, hat das wohl etwas anders ausgesehen. Da hausten an den Rändern angeblich ungeheuerliche, Furcht einflößende Kreaturen. Diese Figuren haben, ebenso wie die alten Quälgeister aus der Muppet Show, ihren großen Auftritt, denn in diesem Varieté ist eben alles möglich.

Die Mischung aus schlichter Illusionskunst, alten Landkarten und großen Weltentwürfen kommt sehr locker daher, wobei Texte und theatrale Aktionen in unerwartete Zusammenhänge gestellt werden. Die Gruppe „ohnetitel“ sieht sich als Initiator, Motor, Verwirklicher, Plattform für spartenübergreifende Kunst und Netzwerk für Theater- und Kunstprojekte und hat dafür den Salzburgpreis des Kulturfonds 2018 erhalten. Gratulation!

„Intakte Bewohner desolater Städte“ EineKoveranstaltung mit ohnetitel und Christoph Bochdansky. In Kooperation mit demSchubert Theater Wien. Mit: Thomas Beck, Christoph Bochdansky, Dorit Ehlers.Bühne: Arthur Zgubic, Alois Ellmauer. Kostüme: Hilde Böhm, Lili Pfeiffer.Puppenbau: Christoph Bochdansky. Produktion: Sabine Jenichl. Foto: ARGEkultur

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