Oskar (Name geändert) war fassungslos! Der 18-jährige war heute zu seinem Chef gerufen worden. Dieser teilte ihm mit, dass er immer sehr zufrieden mit ihm als Kochlehrling war, aber nachdem seit dem Vorjahr die Nazis in Österreich das Kommando hätten, könne er nun nicht mehr länger Juden beschäftigen, wenn er nicht selbst in Schwierigkeiten kommen wolle. Wir schreiben das Jahr 1939.

Von Wolfgang Bauer
Wenige Wochen später ereilte Oscars Vater das gleiche Schicksal. Auch er war unerwünscht an seinem langjährigen Arbeitsplatz. Seine kleine Schwester Susi, blauäugig mit blonden Zöpfen, durfte bald auch nicht mehr in ihre Schule gehen. Wovon sollte die Familie nun leben?
Auch dieses Problem stellte sich nicht allzulange. Vater, Mutter und Tochter wurden nach Wien umgesiedelt. Dort mußten sie in einem bestimmten Stadtteil mit tausenden anderen Juden auf engstem Raum hausen. Zwei Jahre später – in ärgster Not vegetierend – leerte sich dieses Ghetto. Die Juden sollten in ein großes Lager in Auschwitz umgesiedelt werden, hatte man ihnen erzählt. Frühere Nachbarn oder Bekannte haben seit dieser Zeit nie mehr wieder etwas von der Familie gehört. Vielleicht sind aber die schönen langen Haare von Susi noch erhalten – zu Filz verarbeitet oder als Dämmstoff bei Autos verwendet – nachdem Susi in der Gaskammer „entlaust“ worden ist.

Oskar aber wurde gleichzeitig in das KZ Dachau transportiert. Man brauchte gerade Köche dort. Selber bekam er aber bei Weitem nicht genug zu essen. Er wurde immer schwächer. So schrieb er an einen Freund aus Jugendtagen, ob er ihm nicht etwas Geld schicken könnte. Pakete zu erhalten war nicht erlaubt. Es kam aber nie etwas. Die Zensur hatte natürlich den Brief gelesen und dem Empfänger klargemacht, dass Hilfe für Juden nicht erwünscht sei. Als Oskar nicht mehr als Koch gebraucht wurde, verfrachtete man ihn in das KZ Buchenwald. Dort gab es nur Schläge, harte Arbeit und kaum etwas zu essen.
Hätte er daheim noch Angehörige gehabt, so hätten diese bald darauf einen standardisierten Brief bekommen mit dem Inhalt, daß der Häftling Oskar … leider an einem Herzinfarkt verstorben sei. Tatsächlich war er am 6. Mai 1940 im KZ umgebracht und am selben Tag noch eingeäschert worden.
80 Jahre später…
Der Chef von Abbas war fassungslos. Der Kochlehrling war früh am Morgen von der Fremdenpolizei abgeholt worden um abgeschoben zu werden. Sein Vergehen: er war Afghane und Christ. Minister Kickls Untergebene mußten auf Weisung ihres Chefs und der Regierung alle, deren Asylantrag in erster Instanz abgelehnt worden war, abschieben.
(Vielleicht hat der intellektuell limitierte US Präsident Trump unserem rasend-reisenden Schweigekanzler Kurz bei dem Treffen in Washington am 20. Februar 2019 einige Ratschläge für IM Kickl über Guantanamo mitgegeben).
Einsprüche des Lehrlings wurden nicht abgewartet, obwohl die Wirtschaft derartige Berufe händeringend suchte, sein Chef und die Kollegen ihm das beste Zeugnis ausstellen.
Er wurde vor der Abschiebung in einem „Ausreisezentum“ konzentriert untergebracht, um dann gemeinsam mit anderen Schicksalsgenossen in die Freiheit ausgeflogen zu werden.

Fotos(2): Wolfgang Bauer
Irgendein „Gutachter“ hatte festgestellt, dass er zwar nicht mehr in seinen Heimatort zurückkehren könne, weil dort inzwischen die Taliban herrschen, aber er könnte ja in Kabul bleiben, dort sei es noch relativ sicher. Die Sicherheit besteht insofern, als dass er als Mitglied der christlichen Minderheit sicher tot ist, wenn er den fanatischen Moslems in die Hände fällt. Nicht umsonst hatte die Familie vor drei Jahren alles Geld zusammengekratzt, um dem jungen Burschen die Flucht nach Europa zu ermöglichen. Wäre er geblieben, so hätte er zu den Soldaten einrücken müssen, wo er auch gute Chancen auf einen frühen Tod gehabt hätte.

Foto: Michael Werner Nickel / pixelio.de
Vielleicht werden auch seine Freunde in Österreich über Umwege eine Mitteilung erhalten, dass er aus unbekannter Ursache gestorben sei. Wahrscheinlicher ist, dass ein Toter mehr oder weniger für niemand in diesem kriegsgeschüttelten Land noch erwähnenswert ist.
Die Geschichte wiederholt sich. Teil 1 >
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