Teil 1 – Blankenberge

Von Rochus Gratzfeld, Salzburg und Sarród
1010 Autokilometer von Salzburg entfernt erreichen wir mit Blankenberge den Stützpunkt, von dem aus ich Kindheitserinnerungen auffrischen will. Vieles erinnert an die Zeit von vor mehr als fünfzig Jahren. Die Betonburgen direkt am Strand. Die Pier von Blankenberge. Wurde erbaut im Jahre 1933 nach einem Entwurf von Jules Soete. Sie wurde ebenfalls aus Beton erstellt und sticht 350 Meter weit in die Nordsee. Heute befindet sich dort ein Luxusrestaurant. Die schier unendliche Weite der Strände, die sich über 65 Kilometer hinziehen. Jetzt, Ende März, menschenleer und Freiheit ohne Ende für unsere vierbeinigen Begleiterinnen. Ich erinnere mich an Dreck. Viel Dreck und an schmutziges Wasser. Heute sieht der Strand aus, als würde er täglich geputzt. Wird er aber nicht. Er ist einfach nur sauber. Unglaublich sauber. Und das Wasser riecht frisch. Wie es auf der Promenade und am Strand im Sommer zugeht, können wir uns mit Blick auf die zahllosen Lokale leicht vorstellen. Da boxt dann hier der Papst im Kettenhemd.

Am Horizont riesige Containerschiffe – sie befördern vor allem Autos von hier nach dort, von dort nach hier -, aufgereiht wie die Flugzeuge bei Start und Landung am Frankfurter Flughafen, was ich über viele Jahre beobachten konnte. Gleichsam beeindruckend wie bedrückend. Bedrückend ebenfalls das Wissen darum, dass an dieser Küste so viele Menschen starben, als die Alliierten hier die kriegsentscheidende Wende im Kampf gegen das Naziregime vollziehen konnten. Da war die Nordsee rotgefärbt.

Die Betonburgen. Hochhäuser mit durchschnittlich zehn Etagen. In den Lücken eingezwängte kleinere Häuser. Stehengeblieben Zeit. Wenige Neubauten. Hier scheiden sich die Geister. Wat den Eenen sin Uhl, is den Annern sin Nachtigall. Also wie in meiner Kindheit es meine Eltern bevorzugten, eben in einem dieser Hochhäuser ein Appartement zu mieten, entscheiden sich auch meine Frau und ich für eine Wohnung in der sechsten Etage. Belohnt werden wir mit einer atemberaubenden Aussicht, die es schwerfallen lässt, unsere Blicke abzuwenden. Zu jeder Tages- und Nachtzeit.

Meine Eltern hatten mit Kultur, mit Kunst und Architektur so wenig am Hut, wie die zahlreich an unserem Fenster vorbeifliegenden Möwen. So komme ich jetzt mit mehr als fünf Jahrzehnten an Verspätung dazu, mich zusammen mit meiner Frau in „Blankenberge hinter der Promenade“ umzusehen. Eine bunte Mischung verschiedener architektonischer Stilelemente bestimmt das Stadtbild. Besonders angetan haben es uns Zeitzeugnisse aus der Belle Époque – Bezeichnung für eine Zeitspanne von etwa 30 Jahren um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Dazu passend eine Vielzahl von Jugendstilelementen. Das alles vermischt mit Bausünden aus den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Es finden sich viele kleine Geschäfte mit einem Angebot lokaler und regionaler Genüsse, welches uns das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt. Leider Muscheln Fehlanzeige – keine Saison. Dafür Meeresfische und „Chair de Bulots – facon bruxelloise“, Schnecken. Zum Abschluss eines abendlichen Rundgangs lassen wir uns das schmecken, was zu einem Besuch in Belgien einfach dazu gehört: Pommes mit einer riesigen Portion Majo zum Preis von 3,80 Euro in einem gehobenen Frittenladen. Dazu ein belgisches Bier aus einer Auswahl von allein hier 60 angebotenen Sorten. Köstlich!
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