„Es war die Lerche“ – oder doch die Nachtigall?

Es war die Lerche
Im Kleinen Theater inszeniert Helmut Vitzthum Ephraim Kishons meisterhafte Satire über das größte Liebespaar aller Zeiten. Romeo und Julia haben überlebt und nach fast 30 Ehejahren hängt der Himmel nicht mehr voller Geigen. Bei der Premiere am 24. April 2019 gab es viel Applaus für ein „heiteres Trauerspiel“ und ein groß aufspielendes Ensemble.
Elisabeth Pichler

Von Elisabeth Pichler

Ballettlehrer Romeo und seine frustrierte Julia leben in einer schäbigen, kleinen Wohnung und müssen sich mit ihrer pubertierenden Tochter Lucretia herumschlagen. Liebe und Leidenschaft sind „ wie Frühlingsschnee dahingeschmolzen“, die finanzielle Notlage und die täglichen Streitereien um die fehlende Dienerschaft bestimmen den Ehealltag und vergiften die Atmosphäre. Romeo versucht, die uralte, geschwätzige Amme, die ständig über Julia lästert, zu überreden, bei ihrer kranken Herrin etwas nachzuhelfen. Er ist nur scharf auf die Erbschaft und beabsichtigt, sich dann natürlich sofort von Julia scheiden zu lassen.

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Julia beichtet Pater Lorenzo, der sich als alter Lustgreis entpuppt, ihren Kummer: „Ich liebe meinen Mann nicht mehr, ja, ich kann ihn nicht ausstehen.“ Auch sie will sich von Romeo, der nur sich selbst, seine Wärmflasche Lisa und Rettich liebt, scheiden lassen. Das kann sich ihr Schöpfer William Shakespeare nicht bieten lassen. Er steigt aus dem Grab und will das zerstrittene Paar zu „Sitt‘ und Anstand“ gemahnen. Der geplante Doppelselbstmord sollte auch endlich klappen.

„Porca Miseria“ keift Romeo, als ihn der Hahn weckt. Julia, ein richtiger Morgenmuffel, ist auch nicht besser drauf. Dass die beiden bald ihren 30. Hochzeitstag feiern, ändert nichts an den tristen Tatsachen. Sie weiß nun, dass sie einen Versager, einen Vollkretin, einen degenerierten Montague geheiratet hat, und er ist genervt von seiner ständig keifenden, frigiden Frau. Hans-Jürgen Bertram und Tanja Kuntze schenken sich als in die Jahre gekommenes ehemaliges Liebespaar wirklich nichts, Mord und Totschlag liegen stets in der Luft. In Windeseile müssen sie sich aber auch noch verwandeln. So wird aus Romeo ein tattriger alter Pater Lorenzo und aus Julia die alte Amme und eine freche, rappende Göre mit blauen Haaren. Nur Bálint Walter darf seiner Rolle als William Shakespeare treu bleiben. Die wunderbar rezitierten Original- Zitate führen das Publikum durch viele der klassischen Werke. Oft weiß er selbst nicht mehr, wen er da eigentlich vor sich hat. Ist das jetzt wirklich Julia, oder doch Ophelia oder gar Desdemona? Kein Wunder, gibt er doch schließlich zu, dass die großen Dramen von einem Doppelgänger geschrieben worden sind.

Franz Holzschuh hat mit viel Liebe zum Detail ein entzückendes Kämmerlein mit riesigem Ehebett auf die Bühne gestellt. Auch ein altmodischer Leibstuhl kommt dank Pater Lorenzos schwacher Blase kurz zum Einsatz. Die edlen Kostüme (Ausstattung: Nicole Horn) sind eine Leihgabe des Salzburger Landestheaters. Helmut Vitzthum hat die „beklagenswerte“ Komödie mit viel Schwung in Szene gesetzt und die für Shakespeare so typische Derbheit gekonnt eingesetzt. Ein turbulenter Theaterabend, der fast drei Stunden lang beste Unterhaltung bietet.

Es war die Lerche

Es war die Lerche“ Heiteres Trauerspiel von Ephraim Kishon. Regie: Helmut Vitzthum. Regieassistenz: Melanie Arnezeder. Ausstattung: Nicole Horn. Bühnenbild: Franz Holzschuh. Kostüme: Landestheater Salzburg. Mit: Hans-Jürgen Bertram, Tanja Kuntze, Bálint Walter. Fotos: Christoph Strom

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