Drei Männer und vier Frauen in knallbunter Schwimmkleidung üben in den Salzburger Kammerspielen Synchronschwimmen. Ihre Lippen bewegen sich ebenfalls synchron und zwar zu den eingespielten Original-Stimmen älterer Menschen. Das bereits in Haifa erprobte Theater-Experiment der israelischen Regisseurin Ronnie Brodetzky bescherte auch dem Salzburger Premierenpublikum am 19. Mai 2019 einen beschwingten, sehr vergnüglichen Abend.

Von Elisabeth Pichler
Im Oktober 2018 suchte das Salzburger Landestheater für die Produktion „Aquarium“ Menschen des „dritten und vierten Alters“, Männer und Frauen, die bereit wären, im Rahmen eines Interviews über grundsätzliche Fragen des Lebens und des Alters zu sprechen. Wie im Programmheft nachzulesen, meldeten sich viele Seniorinnen und Senioren sowie Gesprächsrunden von Seniorenresidenzen – und sie alle waren mit Feuereifer dabei. Aus den aufgezeichneten Tonaufnahmen wurden Sequenzen ausgewählt und diese Geschichten und Aussagen erzählen die bildhübschen, blutjungen und ständig lächelnden Synchronschwimmer während ihrer Trainingsstunde im Hallenbad. Wenn ein junger, gelenkiger Mann mit brüchiger Stimme von seinem eleganten, schmalen Schwimmstil schwärmt, so klingt das anfangs leicht irritierend.

Die Schwimmerinnen und Schwimmer tanzen „im Wasser“ zu schwungvollen Walzerklängen eine hinreißende Ballettchoreografie. Das ständige Plätschern schafft Hallenbad-Atmosphäre. Besonders munter erklingen die Stimmen der alten Herrschaften, wenn es darum geht, Witze zu erzählen.
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Wenn jemand nicht mehr weiter weiß, wird ihm gerne geholfen, nur den legendären „Wirtschaftswitz“ bringen sie auch gemeinsam nicht mehr zusammen. Natürlich wird auch über die heutige Jugend und ihren Handy-Wahn geschimpft. Das waren halt noch Zeiten, als man sich mit Heubodenspringen die Zeit vertrieb.

Von großer Liebe, schlimmen Erfahrungen, dem Erwachen und altersbedingtem Verschwinden der Sexualität wird gesprochen. Die Stimmen sind zittrig, doch Mimik und Gestik der Schwimmerinnen und Schwimmer energieladen und exaltiert. Aus dieser Diskrepanz entsteht eine so anrührende Komik, dass man sich fast nicht zu lachen getraut.
Tänzerisch leisten die von Tal Cohn gecoachten Damen und Herren Großartiges, sie meistern die schwierige Choreographie, eigentlich ein graziöses Ballett, mit ansteckend guter Laune. Das von Ruth Miller (Bühne und Kostüme) auf die Bühne gezauberte, hellgrün verflieste Hallenbad verfügt über einen Duschraum, in den man bei richtiger Beleuchtung hineinspähen und Gespräche belauschen kann. Zum Finale wird schließlich der Tod thematisiert. Eine ältere Dame mit starkem Akzent nimmt es gelassen: „Warum soll man denken über Tod? Ich denken über Leben.“ Der von Ronnie Brodetzky in Szene gesetzte, experimentelle Theaterabend steht noch bis 16. Juni in den Kammerspielen auf dem Programm und ist wirklich sehenswert.
„Aquarium“ von Ronnie Brodetzky. Deutsche Spielfassung von Lea Mantel. Uraufführung. Inszenierung: Ronnie Brodetzky. Bühne und Kostüme: Ruth Miller. Choreographie: Tal Cohn. Sounddesign, Ton und Schmitt: Dan Hirsch. Mit: Elisa Afie Agbaglah, Genia Maria Karasek, Lilian Mazbouh, Jaqueline Bergrós Reinhold, Tim Oberließen, Gregor Schulz, Hanno Waldner. Fotos: SLT/ Tobias Witzgall
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