Wenn man Mädchen bildet, bildet man eine ganze Nation

Mädchen erhalten Öl für den Schulbesuch, vom Welternährungsprogramm

Schulen, ein Beitrag zum Frieden in Somalia

«Wenn man Mädchen bildet, bildet man eine ganze Nation», hieß es in Zürich Aussersihl an der Generalversammlung des „Fördervereins Neue Wege in Somalia“ am 8. Mai 2010.

Heinrich Frei

Von Heinrich Frei

Es ist über neun Jahre her, seit Vre Karrer im Kirchgemeindehaus Aussersihl von ihrer Arbeit in Somalia berichtete. Bald darauf kam sie um. Nun kam Professor Mahamed Roble in dieses Kirchgemeindehaus an die Generalversammlung des „Fördervereins Neue Wege in Somalia“, der noch Vre Karrer gegründet hatte. Roble leitete von 2002 bis 2008 die Einrichtungen von Karrer in Somalia. 2008 wurde er in Merka angeschossen und verlor ein Auge.

Mahamed Roble hat jetzt in Holland Asyl erhalten. Wie er an der Versammlung erzählte, ist er mit seinem Herzen in Somalia. Seine Mutter und Brüder leben noch dort. Seine Frau und seine 14-jährige Tochter sind in Nairobi und hoffen ebenfalls in Holland Asyl zu bekommen. «Was kann Europa für das vom Krieg zerrissene Somalia tun?», wollte man an der Zusammenkunft von Roble wissen. Er antwortete: «Die beste Unterstützung ist Bildung und nochmals Bildung. Bildung ist der Samen, der später aufgeht. Vor allem ist die Bildung der Mädchen wichtig. Wenn man Mädchen bildet, bildet man eine ganze Nation, weil Mädchen später Mütter werden und Kinder erziehen. Deshalb ist es so wichtig, dass vor allem die Mädchen zur Schule gehen können.»

Es ist das Verdienst von Roble, dass heute die von Privaten, Stiftungen und Kirchgemeinden finanzierte Organisation New Ways in Merka eine Primar- und Sekundarschule betreibt, mit insgesamt etwa 1‘000 Schülern. Die Hälfte der Primarschüler sind Mädchen. Der Leiter von New Ways in Merka, Abdullahi, schrieb dem Verein: «Die Schulen spielen im Süden von Somalia, wo Gewalt vorherrscht, eine große Rolle, weil sie die männlichen Jugendlichen daran hindern können, sich einer kriegführenden Gruppe anzuschließen. Dies ist auch der Grund, weshalb viele Eltern ihre Kinder zur Schule schicken. So wird den Kindern durch den Schulbesuch Friedenserziehung geboten.»

Weitere Infos:
„Förderverein Neue Wege in Somalia“ Homepage: http://www.nw-merka.ch
Spendenkonto: „Förderverein Neue Wege in Somalia“, CH-8000 Zürich
Postfinance PC Konto 80-53042-7, IBAN: CH 62 0900 0000 8005 3042 7 – BIC: POFICHBEXXX

Interview mit Professor Mohamad Roble, anlässlich der Generalversammlung des „Fördervereins Neue Wege in Somalia“, gegründet von Vre Karrer, am 8. Mai 2010 im Kirchgemeindehaus Aussersihl in Zürich.
Interviewer:
Heinrich Frei
Es war am 16. November 2001, also vor bald neun Jahren, als Vre Karrer im Kirchgemeindehaus Aussersihl in Zürich von ihrer Arbeit in Somalia berichtete. Verena Karrer war damals bald siebzig Jahre alt. Sie war von Beruf Hebamme, Krankenschwester und Dozentin für Krankenpflege und arbeitete zu jener Zeit schon seit neun Jahren, seit 1992 in Somalia. Vre Karrer hatte am Rande der Stadt Merka während dem Bürgerkrieg eine selbstverwaltete Genossenschaft gegründet. Am 22. Februar 2002 wurde Vre in Merka erschossen. Seit ihrem Tod führen Somalier und Somalierinnen in Zusammenarbeit mit dem Förderverein „Neue Wege in Somalia“ in der Schweiz ihr Werk weiter. Vre Karrer arbeitete in Merka anfänglich mit Magda Nur-Frei zusammen mit der sie lange in einer Zürcher Arztpraxis gearbeitet hatte. Magda Nur war schon seit1998 mit Ihrem somalischen Mann Shekton Nur in Somalia tätig. (Info www.swisso-kalmo.ch) Magda Nur-Frei ist kürzlich nach einer schweren Krankheit verstorben. Ihr Mann, Shekton Nur, hofft das Werk von Magda in Merka weiterführen zu können, namentlich die Tuberkulose Klinik.

Am Samstag, den 8. Mai kam Professor Mahamed Roble in das Kirchgemeindehaus Aussersihl im Kreis 4 von Zürich, an die Generalversammlung des „Fördervereins Neue Wege in Somalia“, ein Verein der noch von Vre Karrer gegründet wurde. Professor Roble leitete vom März 2002 bis November 2008 die Einrichtungen von Vre Karrer in Somalia. Am 16. November 2008 wurde Prof. Roble von Unbekannten in Merka angeschossen. Er konnte nach Nairobi ausgeflogen werden, wo auf einer Intensivstation sein rechtes Auge entfernt werden musste. Prof. Roble ist nach dem langen Spitalaufenthalt jedoch aus Sicherheitsgründen nicht nach Merka zurückkehrt. Er blieb mit seiner Frau und Tochter als Flüchtling in Nairobi, in Kenia. Anfang dieses Jahres hat Prof. Roble in Holland Asyl bekommen. Wie er uns sagte, ist er mit seinem Herzen in Somalia. Seine Mutter und seine Brüder leben noch in Somalia. Seine Frau und seine 14-järige Tochter sind noch in Nairobi und hoffen auch in Holland Asyl zu bekommen. Es ist das Verdienst von Prof. Roble, dass heute die von Privaten, Stiftungen und Kirchgemeinden finanzierte Organisation New Ways in Merka eine Primar- und Sekundarschule betreibt, mit zusammen etwa 1‘000 Schülern. Die Hälfte der Primarschüler sind auch heute Mädchen.

“Put the gun and take the pen”
Angesprochen auf den islamistischen Fundamentalismus, meinte Verena Karrer im November 2001, etwas vom Besten was wir tun können gegen den Fundamentalismus ist, die Menschen zu bilden, ihnen auch zu zeigen, dass es möglich ist ohne Waffen zusammenzuleben. In der “Genossenschaft Neue Wege” gibt es keine Waffen, keine bewaffneten Wächter, wie in anderen westlichen Nichtregierungsorganisationen die in Somalia tätig sind. Für neu eintretende bewaffnete Kindersoldaten gilt in der “Genossenschaft Neue Wege”: “Put the gun and take the pen”, gib das Gewehr ab und nimm die Schreibfeder. Im Übrigen sei sie der Meinung, das Verbindende des Islams und des Christentums sei grösser als das Trennende. – Nach dem Tod von Vre Karrer wurden die Wächter der Schulen und des Ambulatoriums von New Ways jedoch bewaffnet.

Herr Professor Roble, sie haben New Ways vom März 2002 bis November 2008 in Merka geleitet, trotz der sehr widrigen Umstände. Die Sekundarschule in Merka ist ein grosser Erfolg, auch heute, dank ihrem Einsatz in diesen Jahren.

Zur Sekundarschule schrieb uns Abdullahi, der heutige Leiter von New Ways kürzlich aus Merka:
„Seit der Eröffnung dieser Schule im Januar 2001 haben hunderte von Studenten ein Examen abgelegt und 80 arbeiten nun als Lehrer in verschiedenen Schulen der Region des Lower Shabelle, nachdem sie von UNICEF und UNESCO noch ein Lehrertraining erhalten haben. Die Schulen spielen im Süden von Somalia, wo Gewalt vorherrscht, eine grosse Rolle, weil sie die männlichen Jugendlichen daran hindern können, sich einer kriegführenden Gruppe anzuschliessen. Dies ist auch der Grund weshalb viele Eltern ihre Kinder zur Schule schicken. So kann man sagen, dass den Kindern durch den Schulbesuch Friedenserziehung geboten wird. Es ist erwiesen, dass sehr viele der Kinder, die keine Schulen besuchen, Banditen werden. Im Laufe des Semesters haben 62 Studenten Somalia verlassen, weil ihre Eltern befürchteten, ihre Kinder könnten sich einer kriegführenden Gruppe anschliessen. Die Jugendlichen wurden nach Südafrika, Jemen oder Libyen geschickt oder auch in Flüchtlingslager im Nordosten von Kenia.“

Prüfung an der Sekundarschule New Ways in Merka

Prof. Roble: Verehrte Spender und Mitglieder des Fördervereins Neue Wege. Ich habe das Vergnügen heute bei Ihnen zu sein. Bevor ich zur Situation in Somalia Stellung nehme und die Frage beantworte, möchte ich meine Wertschätzung für Sie und ihren Verein ausdrücken, für die grosszügige Hilfe, die sie den Schwächsten südlich der Sahara, in Merka, zukommen lassen und auch für die grosszügige Hilfe die sie mir angeboten haben, als ich Hilfe gebraucht habe. Wenn ich versuche die Frage zu beantworten, habe ich auch das Gefühl, dass mit der Sekundarschule bemerkenswertes erreicht wurde für die Gemeinschaft und Somalia. Im Lehrplan der Schule sind pro Woche zwei Lektionen dem Thema Frieden gewidmet. Vorher war dies nicht im Lehrplan. Aber nach dem Bürgerkrieg sahen wir, dass solche Lektionen nötig sind. Diese Kurse beinhalten auch sportliche Aktivitäten, welche mithelfen können die Jugendlichen zu integrieren, weil im Sport Regeln und Vorschriften beachtet und eingehalten werden müssen. Wenn etwas schief läuft im Team, muss man die Differenzen ohne Streit regeln.

Prüfung an der Sekundarschule New Ways in Merka

Auch die Primarschule in Merka ist ein grosser Erfolg geworden. Dies ist auch ein Verdienst von ihnen.

Zur Primarschule schrieb uns Abdullahi im April dieses Jahres:
„Die 528 Kinder kommen aus ganz armen Familien. Das Primarschulhaus ist seit Jahren in einem Privathaus untergebracht, dessen Räume sehr eng sind. Darin zu lernen ist nicht einfach, deshalb wird in einer Morgen- und einer Nachmittagsschicht unterrichtet. Die sanitären Anlagen lassen sehr zu wünschen übrig, es gibt nur ein WC. Wir konnten dem Unterstützungsverein in Zürich einen Kostenvoranschlag für vier WCs unterbreiten. Im Jahr 2008 und einem Teil des Jahres 2009 lieferte das Welternährungsprogramm (WFP) Trockennahrung und New Ways lieferte Früchte und Gemüse, so dass die Kinder eine warme Mahlzeit zu sich nehmen konnten. Diese Mahlzeiten förderten die Einschreibungen im 2008 sehr. Nach dem Ausscheren des Welternährungsprogramms fehlten den Kindern die warmen Mahlzeiten. New Ways konnte nur noch Mahlzeiten für die allerärmsten 240 Kinder zur Verfügung stellen. Dies hatte zur Folge, dass die Einschreibungen 2009 stark zurückgingen. Unter den anhaltenden Spannungen hat die Zivilbevölkerung im Quartier rund um die Primarschule sehr gelitten. Als einzige Schule in Merka müssen Schüler bei New Ways kein Schulgeld zahlen. Vor allem die Mütter der Schulkinder bringen am Morgen Brennholz auf den Markt, damit sie wenigstens ihren Kindern eine Mahlzeit geben können. In den unteren Klassen besuchen immer noch mehr Mädchen als Buben die Schule.“

Primarschule New Ways Merka
Primarschule New Ways Merka

Laut CIA Factbook können in Somalia 49,7 Prozent der Männer über 15 Jahren lesen und schreiben, und 25,8 Prozent der Frauen.

Können sie etwas zu der Entwicklung der Primarschulbildung in Merka sagen, in all den Jahren in Merka und in Somalia. War es früher besser, vor dem Bürgerkrieg?

Prof. Roble: Vor dem Bürgerkrieg war die Situation in Somalia anders. Überall in Somalia gab es Primarschulen, die Kinder schickte man zur Schule. Als der Bürgerkrieg begann, wurden die meisten Schulen zerstört. Das Volk sagte, die Schulen gehören zum Besitz von Siad Barre, dem letzten Präsidenten, sie gehören dem Regime. Sie dachten, die Schulen seien sein persönlicher Besitz, nicht öffentliches Eigentum. Deshalb machten sie alles kaputt. 1993 als die UNISOM, die UNO Truppen, mit ihrer Operationen in Somalia begannen, wurden Schulen mit Hilfe von westlichen Nichtregierungsorganisationen wieder aufgebaut. Merka war eines der Gebiete wo am meisten Schulen wiederhergestellt und neue Schulen gebaut wurden, durch Organisationen wie New Ways, COSV (Comitato di Coordinamento delle per il Servizio Organizzazioni Volontario), Water for Life. (Italienische Organisation), so dass wieder mehr als 4 bis 6‘000 Kinder in Merka zur Schule gehen konnten, in die Primarschule. Die Primarschule von New Ways begann 1994 mit 125 Schülern. 2005 stellten wir fest, dass es in der Stadt viele Kinder gibt, in allen Altersgruppen, die nicht zur Schule gehen.

Fussballmatch am Verena Gedenktag

Viele Kinder können keine Schule besuchen, sie müssen für ihre Familie arbeiten
Mit Hilfe von UNICEF machten wir dann eine Untersuchung. (Siehe auch unter: www.nw-merka.ch, Rubrik Archiv: “Kinder berichten” Untersuchungsbericht zur Schulsituation in der Stadt Merka von New Ways “, 18.10.2005, Auch auf Wikipedia, Somalia Seite abrufbar) Wir stellten fest, dass über 10’000 Kinder im Schulalter keine Schule besuchten, weil sie meist für die Familie arbeiten mussten, weil sie in der Stadt irgendeiner Arbeit nachgingen, etwas verkauften, von Haus zu Haus gehend Kehricht einsammelten und entsorgten. Einige waren Schuhputzer. So lebten sie. Zusammen mit anderen Organisationen, mit COSV und Water for Life, nahmen wir mit dem Welternährungsprogramm (WFP) Kontakt auf, um einzugreifen. Mit dem Programm des WFP, “Helping mothers”, wurden Alphabetisierungskurse organisiert bei denen die Mütter, die den Unterricht besuchten, am Ende Monats eine Familien-Essensration vom WFP erhielten. Auch eine Schulspeisung wurde eingeführt, so dass die Kinder zwei warme Mahlzeiten pro Tag erhielten, am Morgen ein Frühstück. Das WFP sorgte für die Bereitstellung der trockenen Lebensmittel. Das Gemüse und die anderen Lebensmittel wurden von New Ways beschafft. Dies half das mehr Kinder die Schule besuchten. Es wurden nun statt 125 600 Schüler registriert. Mit Hilfe des WFP gelang es auch die Einschulungsquote der Mädchen zu erhöhen. Sie erhielten für den Schulbesuch pro Monat vier Liter Öl. So kann ich sagen, die Primarschule hatte eine gute Zukunft.

Ein Monat bevor ich angeschossen wurde nahmen wir mit UNICEF ein neues Projekt in Angriff. Das Ziel war die Einschulungsquote von 2007 bis 2008 um 40 Prozent zu erhöhen. 22 Schultrainer wurden bei diesem Projekt eingesetzt. Jede Schule, jede Klasse sollte von diesen Beratern besucht werden, um so die Lehrkräfte zu unterstützen, um zu sehen wie sie Schule geben, um nachher mit der Lehrkraft die Beobachtungen zu besprechen und nach Lösungen zu suchen. Nach einem Monat sollte der Unterricht dann noch einmal überprüft werden. Das Projekt war erfolgreich, kann ich sagen, auch wenn wir das Ziel nicht erreicht hatten das wir uns gesetzt hatten. Die Schuleinschreibungen stiegen um 28 Prozent.

Viele denken dieses Projekt sei einer der Gründe gewesen, warum ich angegriffen wurde, man wollte das Projekt stoppen. UNICEF Mitarbeiter haben mich in Nairobi im Spital besucht, noch bevor ich operiert wurde. Zum Glück war ich bei vollem Bewusstsein. Ich bat sie die Einschulungskampagne weiterzuführen und nicht zu stoppen. Sie gaben die Gelder frei und führten das Projekt weiter, sie stoppten es nicht.

Fussballmatch am Verena Gedenktag

Vre Karrer hat ein Ambulatorium eröffnet, eine Primar- und Sekundarschule, die Stadtreinigung organisiert. Sie unterstützte auch das Dorf Ambe Banaan. Ist der Erfolg von New Ways in Merka auch darauf zurückzuführen, dass die medizinische Hilfe verbunden wurde mit den Schulen? Jetzt möchten wir das Ambulatorium abtrennen und diese Einrichtung vielleicht einer anderen Organisation übergeben. Was meinen sie dazu? Ist dies falsch? Wir sind schon im Gespräch mit der französischen Organisation Médecins du Monde, auch weil wir schon in wenigen Jahren als kleine Gruppe kaum mehr in der Lage sein werden die Einrichtungen in Merka weiter zu unterstützen.

Prof. Roble: Sie haben nicht unrecht. Ihr wollt die Arbeit weiterführen die Verena begonnen hat. Vor einer Übergabe sollte man sicherstellen, dass die Gesundheitseinrichtung und die Schule nicht getrennt wird. Heute arbeiten sie zusammen. Heute gibt es zwischen diesen beiden Einrichtungen Verbindungen. Die Schüler und die Bevölkerung werden dort behandelt, sie können dorthin gehen. So ist sehr wichtig zu wissen was Médecins du Monde machen will. Unterstützen sie weiter die Schulkinder? Dann wäre dies OK. Aber wenn nicht, habe ich Zweifel, das wäre nicht gut. Das ist meine Antwort. Das Ambulatorium hilft den Eltern, den kleinen Kindern, den Schulkindern, den Sekundarschülern, allen wird geholfen. Aber wenn Médecins du Monde das Ambulatorium übernimmt und sagt, wir unterstützen nur noch die Mütter mit ihren Kindern unter fünf Jahren. Wohin können dann die anderen Kinder gehen?

Jetzt noch eine persönliche Frage. Kann ihre Frau und ihre Tochter die 14-jährig ist aus Nairobi nach Holland kommen?

Jenny Heeb: Prof. Roble hat im März ein Gesuch für den Familiennachzug gestellt, aber das ist nicht so einfach.

Prof. Roble: Das möchte ich vor allem, aber ich habe meine Zweifel ob es gelingen wird. Einige Somalier erzählen Geschichten: Einer, ein Mann von 22 Jahren sagte, er sei Vater von sieben, acht Kindern. Das war ja klar, dass dies nicht stimmen konnte. So gab es negative Entscheide zu Familiennachzügen. Deshalb mache ich auch mir Sorgen, dass ich eine negative Antwort bekommen könnte. Sie könnten denken auch meine Geschichte sei nicht wahr. Sie könnten sagen, sie sind ein alter Mann und sie behaupten sie hätten eine 14-jährige Tochter, und nur eine Tochter, und ihre Frau ist auch jung. Zu dieser Geschichte könnten sie sagen, die stimmt nicht. Dies ist meine Befürchtung. Aber ich denke, es ist eine Frage der Zeit und ich werde Erfolg haben. Das ist das einzige wovon ich schon immer geträumt habe. Meine Tochter sollte eine gute Ausbildung bekommen.

Jenny Heeb bestätigte dies: Sie hatten diesen Traum schon in Merka, ich erinnere mich. Sie wollten schon damals, dass ihre Tochter studieren kann.

Prof. Roble: Ja

Wie ist ihre Lage in Holland? Im Flüchtlingslager? Können Sie jetzt oder später als Mathematiker arbeiten?

Prof. Roble: Ja, ich hoffe, dass ich einen Job finden werde, dass ich unterrichten kann. Aber zuerst muss ich gründlich Holländisch lernen, etwa ein Jahr lang. In der Zwischenzeit hat sich für mich ein kleines Fenster aufgetan. Ich konnte mit den Behörden der Stadt Bergen op Zoom sprechen, wo ich mich niederlassen möchte. Diese Stadt ist in der Nähe von Eindhoven. Dort wohnen viele somalische Flüchtlinge welche viele Kinder haben die zur Schule gehen. Ich hoffe, dass sich da etwas ergibt. Im Moment bin ich in einem Flüchtlingslager in Middelburg, in Seeland, in der Nähe der belgischen Grenze.

Wie schätzen sie die Lage in Somalia ein? Wir haben den Eindruck die Unterstützung der Übergangsregierung in Mogadiscio durch die UNO, durch die Europäische Union, die USA usw. ist fehlgeschlagen? Wir hörten, Waffen seien in die Hände der Al Shabaab gefallen und Soldaten der Übergangsregierung seien zu der Al Shabaab und anderen islamistischen Gruppierungen übergelaufen. Wie sehen Sie dies?

Prof. Roble: Es ist so. Die Übergangsregierung wird unterstützt. Aber diese Regierung ist nicht bereit Verantwortung zu übernehmen. Tatsache ist, dass sie die Unterstützung die sie bekommt für ihre persönlichen Interessen verwendet, für persönliche Belange. Sie zahlten ihre Soldaten nie. So war nichts anderes zu erwarten, dass diese unbezahlten Soldaten desertierten. Bei den anderen Gruppen wird bezahlt. Das ist die Realität dort. Die militanten Islamisten sind diszipliniert, aber die Übergangsregierung nicht. Die Islamisten haben ein Programm, die Regierung umfasst zwar viele namhafte Persönlichkeiten, aber sie haben keine gemeinsame Vision: In der Regierung herrschen unterschiedliche Einflüsse, unterschiedlichen Interessen. Eigentlich hätte die Regierung die Unterstützung der Öffentlichkeit. Aber ich zweifle ob sie dies wissen. Das Volk hat keine Stimme. Sie können ihre Stimme nicht erheben, sonst riskieren sie getötet zu werden. Hilfe hätten sie nötig, sobald sie Hilfe bekommen würden, würden sie ihre Stimme erheben. Heute können sie es nicht.

Auf der einen Seite bin ich heute weit weg von Somalia, aber manchmal bin ich trotzdem mit Somalia verbunden. Körperlich bin ich hier, ich bin hier aber immer noch dort. Ich kann sagen, ich bin hier. Ich lebe jetzt in Sicherheit, aber ich bin nicht glücklich, weil mein Volk nicht glücklich ist. Ich kann mich über die Sicherheit hier nicht freuen die ich hier habe. Ich kann nicht glücklich sein, denn meine Mutter ist dort.

Ist die Unterstützung dieser Regierung durch UNO Soldaten überhaupt sinnvoll, oder sollte man die Somalier in Ruhe lassen, ihre Angelegenheiten selber lösen lassen?

Prof. Roble: Ja und Nein. Die Somalis sollten ihre Angelegenheiten lösen. Aber sie können es nicht, dass ist die Wahrheit. Sie können ihre Probleme nicht lösen. Sie brauchen Hilfe, und sie werden diese Hilfe brauchen, bis sie wieder den verlorenen Frieden gefunden haben. Den verlorenen Frieden bräuchten wir wieder.

Was kann Europa für den Frieden in Somalia tun? Unsere Meinung ist, Schulen unterstützen, wie die Schulen von New Ways in Merka?

Prof. Roble: Die beste Unterstützung die Somalia brauchen kann ist Bildung. Ich glaube die beste Investition ist es in die Bildung zu investieren. Wenn man ein Kind erzieht, formt man es. Sie wissen, wenn ein Samen wachsen soll, muss er beschützt werden. Wenn der Same spriesst und zur Pflanze wird, muss man ihn pflegen, damit er gedeiht. Das gleiche gilt bei einem Menschen, er wird gebildet, geformt. Die geistige Persönlichkeit ist ein Boden der gelegt werden kann. So kann der Frieden wiederhergestellt werden, was Zeit braucht, aber es spielt keine Rolle wie lange es dauern wird. Dies ist das Beste was wir tun können, um dem somalischen Volk zu helfen. In Schulen investieren, in Lehrkräfte, mit den Eltern und der Gemeinschaft. Kinder, vor allem Mädchen sollten die Schule besuchen können. Wenn sie ein Kind unterrichten, ist es wie wenn sie eine ganze Nation unterrichten würden. Wenn sie ein Mädchen unterrichten, unterrichten sie eine ganze Nation, denn später wird dieses Mädchen Mutter und sie wird ihre Kinder unterweisen.

Theo Baumann: Ich habe noch eine Frage an den Vorstand, nämlich diese Vorbehalte wegen dem Ambulatorium die Prof. Roble angebracht hat. Wurde dies im Vorstand schon diskutiert?

Dr. Bigna Rambert: Grundsätzlich hat Médecins du Monde diese beiden Pfeiler „Mother Help Care“ und „Primary Help Care“, also einfache medizinische Hilfe für Mütter und kleine Kinder und auch von Erwachsenen. Wieweit sie diese beiden Säulen in Merka aufgebaut haben weiss ich nicht. Ich denke, wir müssen dies mit Médecins du Monde und den Leuten vor Ort diskutieren. Für eine Schule kann es schon attraktiv sein, wenn Verbindungen zu medizinischen Einrichtungen bestehen, wie heute bei New Ways in Merka. Médecins du Monde betreibt heute in Merka zwei Ambulatorien. Wir werden darüber sprechen. Die Zusammenarbeit mit Médecins du Monde steht erst am Anfang.


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