„Gebundene“ – Plastik von Dieter Schmidt

Gebundene von Dieter Schmidt | Foto: Karl Traintinger

Gebundene von Dieter Schmidt | Foto: Karl Traintinger| Dorfbild.com

Erinnerungsstätte Lager Weyer / St. Pantaleon, Innviertel, OÖ

Diesmal habe ich eine Skulptur mit einem aktuellen geschichtlichen Hintergrund (vor 80 Jahren begann der 2. Weltkrieg) ausgewählt. Knapp vor der Moosachbrücke in St. Pantaleon befindet sich ein Denkmal zur Erinnerung an die hier stattgefundenen Gräueltaten zur NS-Zeit.

Karl Traintinger

Von Karl Traintinger

Das unaufdringliche und dennoch sehr beeindruckende Denkmal lädt den Besucher zum Innehalten und Nachdenken ein. Im Gemeindeamt von St. Pantaleon ist eine kostenlose Broschüre mit geschichtlichen Erläuterungen rund um die Erinnerungsstätte vorrätig.

Ich habe Ludwig Laher >, den in St. Pantaleon lebenden Schriftsteller und sehr guten Kenner der Lagergeschichte (Herzfleischentartung >) von Weyer gefragt, wie es zur Errichtung dieser Erinnerungsstätte gekommen ist. Hier seine Antwort:

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Es gab zur Jahrtausendwende eine regionale Ausschreibung für einen Wettbewerb, das Denkmal betreffend. Eine Jury wählte den Entwurf des bayerischen Bildhauers Dieter Schmidt, der damals in Fridolfing lebte und arbeitete und später in den Bayerischen Wald übersiedelte. Die anderen Einreichungen wiesen allesamt einen allzu hohen Grad an Abstraktion auf. Begründet wurde die Wahl Dieter Schmidts mit der Zugänglichkeit seines Werkes, das stilisiert, aber nicht abstrakt, menschliche Gestalten zeigt, die als „Gebundene“ (so nennt Schmidt sein Kunstwerk) dem Betrachter den Rücken zukehren, also nur noch innerhalb des (Stachel-)Drahtes existieren, von der Welt isoliert. Man kann das Werk umkreisen und hat von überall unterschiedliche Blickwinkel auf einzelne Gesichter. Die Untersicht (das Auge muss nach oben blicken) gibt den Dargestellten eine Würde, die sie gleichzeitig der Schwere ihres Leids ein wenig enthebt.

Die Gestaltung lehnt sich überdies an die österreichische Marterlkultur (von Martyrium) an, die am Land besten bekannt ist. Die Bronzeplastik ruht auf einer Mühlviertler Granitsäule (Assoziation zu Mauthausen). Auf hervorragende Weise kontrastiert das bescheidene Denkmal auch größenmäßig, vor allem aber was die Behandlung der menschlichen Gestalt anlangt, mit dem martialischen Kriegerdenkmal bei der Kirche von St. Pantaleon. Dieter Schmidts Werk für die Erinnerungsstätte hat in den vergangenen 19 Jahren verbreitet große Anerkennung gefunden. Finanziert wurde es übrigens zu gleichen Teilen von der Gemeinde St. Pantaleon und dem Land Oberösterreich (die NS-Lager Weyer waren Reichsgaulager von Oberdonau, nicht exterritoriale KZ).

Die Erinnerungsstätte ist mittlerweile selbstverständlicher Teil der Ortsgeschichte. War sie am Anfang durchaus umstritten, so gilt sie mittlerweile als Wahrzeichen von St. Pantaleon. Der offizielle Ortsplan zeigt unter ‚Sehenswürdigkeiten‘ zuerst das Schmidt-Denkmal und dann erst die Pfarrkirche, die Prospekte der Urlaubsregion Oberes Innviertel / Seelentium bewerben St. Pantaleon zentral mit dem abgebildeten Denkmal Dieter Schmidts. Der Pfarrer setzt sich mit den Firmlingen auf die Steinbänke rund um das Denkmal und erläutert, was damals passierte. Immer wieder werden Grablichter an der Erinnerungsstätte angezündet. Zu Beschädigungen der Anlage ist es Gott sei Dank bisher nie gekommen.

Die Erinnerungsstätte in der Dorfzeitung >
Verein Erinnerungsstätte >

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Dorfladen

3 Kommentare zu "„Gebundene“ – Plastik von Dieter Schmidt"

  1. Hannah buermooserin | 31. August 2019 um 17:48 |

    Diese neue Artikelserie ist super, den Göminger Brunnen und die Tänzerin vor der Volksschule in Obereching gabe ich schon im Rahmen einer Radtour besucht. Von der Erinnerungsstätte in St. Pantraleon habe ich als „Zugerosate“ noch nie etwas gehört, werde sie aber demnächst besuchen!

  2. Ein Ort des stillen Gedenkens an eine Zeit, die niemals wiederkehren darf. Rassismus und rechte, aber auch linke Populisten sollten in unserer Gesellschaft keinen Platz haben.

  3. Gedenkfeier Weyer
    5. Oktober 2019, St. Pantaleon, Gemeindeamt, Lesung Rosa Gitta Martl „Bleib stark“
    Moderation und Einleitung aus dem Nachwort: Ludwig Laher

    Ludwig Laher im Herbst 2019 – Lesereise „Wo nur die Wiege stand“
    4. Oktober 2019, Salzburg, Literaturhaus, Struberg. 23, 19.30 Uhr
    8. Oktober 2019, Gmunden, Mehrzwecksaal des Gymnasiums, Keramikstr. 28, 19 Uhr
    9. Oktober 2019, Ebensee, Zeitgeschichte Museum, Kirchengasse 5, 19 Uhr
    10. Oktober 2019, Lamprechtshausen, Bibliothek, Lindner-Weg, 19.30 Uhr
    14. Oktober 2019, St. Valentin, Stadtbibliothek, Friedhofstr. 4, 19 Uhr
    17. Oktober 2019, Ried im Innkreis, Charlotte-Taitl-Haus, Rossmarkt 29
    12. November 2019, Sierning, Fokus, Hochstr. 30, 19.30 Uhr
    20. November 2019, Feldkirch, Theater am Saumarkt, Mühletorplatz 1, 20.15 Uhr
    27. November 2019, Innsbruck, Literaturhaus, Josef-Hirn-Str. 5, 19 Uhr
    28. November 2019, Bischofshofen, Weltladen, Mohshammer-Platz 4, 18.30 Uhr

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