Stuhl – Gestell, Herrschersitz und Sitzmöbel

Gastgarten | Foto: Karl Traintinger| Dorfbild.com

Mit dem Wort Stuhl bezeichnen wir im Allgemeinen ein Sitzmöbel, auf dem eine Person sitzen kann. Das Wort kann aber auch eine Bezeichnung für ein Gestell, ein Gericht oder eine Herrschaft sein.

Michaela Essler

Von Michaela Essler

Das Wort Stuhl ist seit dem 8. Jahrhundert belegt und hatte ursprünglich die Bedeutung „Gestell“. Diese alte Bedeutung hat sich bis heute in den Worten Dachstuhl und Glockenstuhl erhalten. Der Dachstuhl ist ein Gerüst, auf dem das Dach aufliegt. Der Glockenstuhl ist ein Aufbau, in dem die Glocke hängt. ___STEADY_PAYWALL___

In althochdeutscher Zeit bezeichnete das Wort stuol den Sitz eines Herrschers, Fürstens, Richters, kirchlichen Würdenträgers oder des Hausherrn. Der stuol war oft nicht nur für eine Person ausgelegt, sondern konnte auch eine Bank sein, auf der mehrere Personen gleichen Ranges sitzen konnten. Zwischen dem 5. und 8. Jahrhundert gestalteten vor allem die fränkischen Könige den stuol zu einem Thron des Herrschers, der nur mehr für eine Person bestimmt war. Der Sitz erhielt eine Rücklehne, Armlehnen und Kissen. Dadurch verengte sich die Bedeutung des Wortes stuol zu „Sitz für einen Einzelnen“.

Mit der Zeit verlor sich auch die enge Bedeutung „Herrschersitz, Herrensitz, Thron“, so dass Stuhl zu einer allgemeinen Bezeichnung für einen Ein-Personen-Sitz wurde. Der Herrschersitz wird nun sprachlich in Zusammensetzungen hervorgehoben: Kaiserstuhl, Königsstuhl, Fürstenstuhl, Bischofsstuhl, usw. Seit dem 12. Jahrhundert wird auch der Sitz des Papstes als heiliger Stuhl, apostolischer Stuhl oder Stuhl Petri bezeichnet. Diese Ausdrücke beziehen sich jedoch nicht nur auf das Sitzmöbel, sondern werden auch als Bezeichnungen für die päpstliche Macht und Herrschaft verwendet.

Wie die Herrscher, so saßen auch die Richter auf erhöhten Stühlen, den Richterstühlen. Der Richter wurde daher in althochdeutscher Zeit auch stuolsâzo „Stuhlsasse“ genannt. Der Wortteil -sasse „Sitzender“ ist heute noch in den Worten Insasse „jemand, der sich in einem Fahrzeug oder Gebäude befindet“ und ansässig „wohnend, lebend“ erhalten. In manchen Regionen wurde der Vorsitzende eines Gerichtshofs Stuhlrichter genannt. Dadurch wurde das Wort Stuhl auch synonym für das Gericht oder eine Gerichtsstätte. So können Ortsbezeichnungen, wie beispielsweise Kaiserstuhl oder Königsstuhl, Nachklänge auf alte Gerichtsstätten sein. Bereits im Mittelalter gab es schon Gerichtsschreiber, die auch stuolschrîber „Stuhlschreiber“ genannt wurden. Im Alltagsleben konnten die stuolschrîber auch Lohnschreiber sein, die für Menschen, die des Schreibens nicht mächtig waren, Briefe und Schriftstücke verfassten.

Auch der einst erhöhte Sitz des Lehrers und im Besonderen des Hochschullehrers hat sich sprachlich im Wort Lehrstuhl niedergeschlagen. Heute bezeichnet Lehrstuhl jedoch nicht mehr einen Sitz des Lehrers, sondern eine planmäßige Stelle eines Professors an einer Universität.

Ab dem 14. Jahrhundert wurden die Handwerker, die Stühle herstellten, stuoler „Stuhler“ genannt. Diese Wortbildung ist vergleichbar mit der ebenfalls schon im Mittelalter belegten Bezeichnung Tischer oder Tischler „Handwerker, der Tische fertigt“.

Und schließlich haben sich die Stühle in unserem Sprachgebrauch auch in Redewendungen niedergeschlagen. Wenn jemand zwischen zwei Stühlen sitzt, dann befindet sich jemand zwischen zwei Möglichkeiten oder Parteien und hat es sich mit beiden Seiten verscherzt. Der Ausdruck einem den Stuhl vor die Tür setzen „jemanden aus dem Haus jagen, jemanden kündigen“ ist ein alter Rechtsterminus, der seit dem 16. Jahrhundert belegt ist und ursprünglich als symbolische Handlung für einen Rauswurf oder eine Kündigung ausgeführt worden sein dürfte.

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