Der „Festungs-Jedermann“ – eine echte Altnative

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Hoch über dem Domplatz findet dieser Jedermann auf jeden Fall statt, ob nun auf der Festung Hohensalzburg oder im rustikalen, großen Festsaal des Stieglbräus.

Elisabeth Pichler

Von Elisabeth Pichler

Die prachtvolle Aussicht auf den Dom und den Kapuzinerberg entschädigte am 6.August 2010 das Publikum, das dankbar dafür war, dass es an diesem extrem kühlen Augusttag nicht im Burghof frieren musste.

Zu Beginn des Stückes zieht eine äußerst fröhliche Tischgesellschaft in den Saal ein, singend, heiter und unbeschwert, doch hinter den vier goldenen Flächen, die auf der Bühne den Reichtum des Jedermanns symbolisieren, verstecken sich bereits die Bettler. Die Stimme Gottes erklingt diesmal vom Balkon und die gute Stimmung ist vorerst vorbei. Dann betritt der Jedermann die Bühne, er wirkt wie ein selbstgerechter, ignoranter Bankmanager oder eine abgehobener Politiker, Mitleid kennt er jedenfalls keines. Er erwartet von seinen Untergebenen nur eine Antwort: „Jawohl, Chef.“ Auch seine Mutter, eine äußerst elegante Dame, die sehr resolut auftritt, wird unbarmherzig abgewiesen.

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Die Tischgesellschaft wird zu einer schrillen Stehparty, bei der das musikalische Unterhaltungsprogramm im Vordergrund steht. Der in Deutschland lebende Chilene Sergio Vesely, ein künstlerisches Multitalent, der zu Beginn im weißen Anzug als Liedermacher mit Gitarre einen grandiosen Spielansager abgibt, unterhält die bunte Truppe und das Publikum bestens. Die Buhlschaft singt und tanzt mit ihrem Liebsten Walzer, aber auch Tango. Es wird gefeiert, bis dass der Tod erscheint und dann ist endgültig Schluss mit lustig.

Gerhard Mohr (Jedermann) hat eine enorme Bühnenpräsenz, man nimmt ihm sowohl die anfängliche Arroganz als auch die zunehmende Verzweiflung ab, aus dem sorglosen Lebemann wird schließlich ein einsichtiger, reuiger Sünder im Büßerhemd. Bettina Ullrich (Buhlschaft) macht das Beste aus ihrer eigentlich sehr kleinen Rolle und umgarnt in einem roten Kleid den Liebsten mit südamerikanischen Temperament. Ingo Neise führt nicht nur Regie, er spielt auch den Tod und erinnert als fast statuenhafte Figur an den Komtur aus Don Giovanni. Er ist ständig präsent, nimmt in der ersten Reihe Platz und beobachtet von dort Jedermanns verzweifelte Versuche, eine Begleitung für seinen letzten Gang zu finden. Der gegen Ende des Stücks auftauchende Teufel hat immer etwas Erfrischendes. Eva Röders Auftritt erntete Szenenapplaus, denn eigentlich sind ihr Ärger, ihre Wut, ihre Hilflosigkeit nachvollziehbar. Es ist ja wirklich nicht einzusehen, dass dieser Jedermann, „ ein prächtiger Schwelger und Weinzecher, Buhl, Verführer und Ehebrecher“, so leicht davonkommen soll. Silvio Rudolf als Guter Gesell bringt mit seinem Wiener-Dialekt etwas Nestroy-Stimmung ins Stück. Dicker und Dünner Vetter (Ferdinand Rother und Sergio Vesely) sorgen mit ihren fadenscheinigen Ausreden für Heiterkeit.

Der Jedermann auf der Festung oder bei Schlechtwetter im Stieglbräu ist die perfekte Alternative zur Aufführung auf dem Domplatz, die Atmosphäre ist intimer, das Stück (und nicht die Besetzung) steht im Vordergrund, das Publikum ist ganz nah am Geschehen. Der Verein der Burgspiele beweist: Hugo von Hofmannsthals „Jedermann“ funktioniert auch mit einem minimalistischen Bühnenbild und nur zwölf Schauspielern.

Jedermann

„Jedermann“ von Hugo von Hofmannsthal auf der Festung Hohensalzburg (Festsaal im Stieglbräu) / Regie: Ingo Neise, Regieassistenz / Kostüme, Requisiten: Eva Röder / Choreographie: Heinz Wanitschek / Musikalische Leitung: Sergio Vesely / Mit: Gerhard Mohr, Bettina Ullrich, Ingo Neise, Eva Röder, Walter Stapper, Sergio Vesely, Sibylle Maria Zillner, Sabine Hajdu-Perschy, Ferdinand Rother, Silvio Rudolf, Walter Stapper, Ferdinand Rother, Martun Hajdu, Ben Welcker.

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