Mein Besuch bei alten Bäumen (8)
Über die Geschichte von Bürmoos ist schon so viel geschrieben worden, daß ich das nicht nochmals wiederholen muß. Stattdessen bringe ich einen Text, den ich vor 25 Jahren in dem Buch “Moor- und Dorfgeschichten“ veröffentlicht habe leicht gekürzt.

Von Wolfgang Bauer
Der damalige Bürgermeister Seeleithner hatte selbst als Kind auf der mächtigen Mooreiche gespielt, plädierte dann aber für die Beseitigung, um keine Verantwortung übernehmen zu müssen – für einen Baum auf fremden Grund!
Die Mooreiche (1996)
Im Zehmemoos bei Bürmoos stand einsam auf einer Wiese eine riesige Mooreiche. Seit zweihundert, vielleicht auch schon dreihundert Jahren hatte sie hier Wind und Wetter getrotzt und dem oft gewaltigen Druck des Schnees standgehalten. Sie war eine Eiche im besten Alter, denn nicht wenige ihrer Artgenossen erfreuen sich noch im biblischen Alter von sechshundert Jahren bester Gesundheit.

Seit das Moor abgebaut und damit für die Menschen begehbar wurde, verlief auch unter ihrer Krone ein Gehweg, der für einige Leute, die sich hier verstreut angesiedelt hatten, eine Abkürzung bedeutete, wenn sie sich gegenseitig besuchen wollten, zum Torfstechen oder zum Schwammerlsuchen gingen.
Oft werden auch im kühlen Schatten der mächtigen Krone Jäger, Bauern oder Beerensucher gemütlich gejausnet und die Vögel beobachtet haben, die in den Zweigen herumturnten. Später tummelten sich dann Generationen von Kindern unter und in der Baumkrone. Sie nagelten sich schmale Trittleisten an den Stamm und bauten sich ein Baumhaus auf den unteren, mannsdicken Ästen.
In den letzten Jahren allerdings hatte die Eiche etwas Pech. Der Blitz hatte in den Stamm eingeschlagen und diesen ein Stück lang direkt gespalten, und im Winter hatte der Schnee einen mächtigen Zweig von gut acht Meter Länge von einem noch mächtigeren Ast abgebrochen.
Für die alte Mooreiche war das kein Problem, wohl aber für die Leute des Dorfes. Einige der Zehmemooser sind offensichtlich etwas ängstlicherer Natur, und für Leute, die nicht mit dem Moor vertraut sind, ist dieses doch manchmal etwas unheimlich. Die Jäger und Naturschützer, denen es ganz recht ist, wenn nicht allzu viel Betrieb in den letzten erhaltenen Moorgebieten herrscht, erzählten bei so manchen Gelegenheiten genußvoll von giftigen Kreuzottern, Menschen verschlingenden Sümpfen, nächtlichen Irrlichtern und Moorleichen. So war es nicht verwunderlich, daß manche Mutter ihren Kindern einschärfte, nur ja nicht zu weit in den Wald hineinzugehen.

Der Grund, auf dem die Eiche stand, gehört einem Großgrundbesitzer, und Leute, die sich für den Schutz der Natur einsetzen, fürchteten zu Recht, daß dieser das Übliche tun werde, sobald es Probleme mit dem Baum geben könnte, nämlich diesen umschneiden.
Inzwischen war ja die Siedlung bis an hundert Schritt an dieses wohl älteste Lebewesen der Gemeinde herangewachsen und dadurch auch der Betrieb, der unter und auf dem Baum herrschte, ein anderer.
Es wurde an die Gemeindevertretung ein Antrag gestellt, den Baum unter Schutz zu stellen, Gutachten wurden eingeholt, sogenannte Experten befragt und mit dem Grundbesitzer verhandelt. Die Gutachter sagten, der Baum könne noch drei Jahre leben oder auch hundert, der Experte sagte, die Sanierung kostet mindestens 70.000.— Schilling, und der Grundbesitzer wollte natürlich keinen Schilling investieren.
Ein Bekannter allerdings, auch ein Experte, nämlich von Beruf Zimmermann und selbst Waldbesitzer, sagte, für 3.000.— Schilling saniert er den Baum so, daß er uns alle überlebt.
So wurde hin und her überlegt, gestritten und verhandelt über Folgekosten, Risiko für die Wanderer und dergleichen, bis eines Tages in aller Frühe die Motorsägen aufheulten und in wenigen Minuten jeder Diskussion über den Wert eines alten Baumes ein Ende bereitet wurde. Auch ein Bagger kam sogleich und riß die Wurzeln aus der Erde, so daß es jetzt keine Hindernisse mehr beim Mähen der Wiese gibt und keine Gefahr mehr, daß ein alle hundert Jahre abbrechender Ast jemand auf den Kopf fällt – oder sich ein Moorgeist hinter dem Stamm versteckt.
Da auch auf einem nahegelegenen Grundstück, das mit lichtem Mischwald bedeckt war, eine neue Siedlung entstehen sollte, war es vielleicht ganz gut, daß dieses Ärgernis aus der Welt geschafft wurde. Wenn in einigen Jahren dann diese Siedlung fertig ist, wird man vielleicht als Mittelpunkt eine Eiche pflanzen, eine recht große, für rund 70.000.— Schilling, unter der sich die Kinder tummeln und die Spaziergänger ausrasten werden. So werden in Bürmoos mit Mut und Tatkraft Probleme erledigt.
Tatsächlich wurde die Siedlung bis zu dem Baum gebaut. Er wäre ein Blickfang im Zentrum gewesen und ein Rastplatz für die Leute in den engen Wohnungen.
Anders verhielt es sich bei der nicht weit davon gestandenen mächtigen Weide. Diese Baumart wird nicht allzu alt und sie durfte bis zu ihrem natürlichen Ende stehenbleiben. Sie stand groß und imposant auf dem Gelände des Torfwerkes nahe der Zufahrtsstraße und der Bahngeleise.
Die alte Weide beim Torfwerk – Der mächtige Stamm der Weide – Das (natürliche) Ende der Weide beim Torfwerk – Auch die Torfgewinnung- und Verarbeitung ging damals zu Ende
Mein Besuch bei alten Bäumen – Zusammenfassung
1 Die Kaiserbuche auf dem Haunsberg >
2 Weitwörth – Schloss und Allee >
3 Platane in Laufen/ Obb. >
4 Linde bei Aglassing >
5 Riesentanne im Stierlingwald >
6 Die Riesenbirke in der Hasenmutter >
7 Eiche bei St. Georgen >
8 Zehmemoos: alte Eiche und Weide

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