Der für den Österreichischen Buchpreis nominierte, 2019 im Zsolnay Verlag erschienene Roman wurde vom Autor Marko Dinić und Regisseurin Felicitas Biller in eine Bühnenfassung gebracht. Die für 2020 geplante Theateraufführung im Toihaus fiel Corona zum Opfer, doch nun steht die filmische Umsetzung via Video-on-Demand zur Verfügung.

Die anonyme Hauptfigur erfährt in Wien vom Tode der heißgeliebten Großmutter. Als er vor zehn Jahren aus Belgrad flüchtete, gab sie ihm ihren Ehering mit und der soll nun mit ihr begraben werden. Nur widerwillig begibt er sich auf die Reise und besteigt den „Gastarbeiter-Express“. Auf der langen Fahrt holt ihn die Vergangenheit ein. Erinnerungen kommen in ihm hoch, an die Kindheit, die Schulzeit, seine Freunde, sein konservatives Elternhaus und vor allem an den Vater, für den er nur Verachtung empfindet.

Der Protagonist (Dominik Jellen) sitzt im Bus nach Belgrad, flankiert von zwei zufälligen Sitznachbarn, einem Elektriker mit einem Faible fürs Wort und einer Dame (Gudrun Plaichinger), die mit ihrer Geige und Rilke-Elegien den Rhythmus vorgibt. Max Pfnür verkörpert diesen redseligen Serben, der bereits die 26. Recherchereise unternimmt, arbeitet er doch an einer knallharten Aufarbeitung der Kriegsgräuel. Die Reise ist lang und so ist es kein Wunder, dass der Belgrad-Heimkehrer immer wieder einschläft und zu träumen beginnt. Dann sitzt er mit seinem Schulfreund vor dem 16. Belgrader Gymnasium, einem ehemaligen Frauengefängnis, in dem er zum Schweigen erzogen wurde, schimpft auf die Lehrer und träumt von der Flucht. Kurz vor der Grenze verabschieden sich seine Mitreisenden und verschwinden.
Im Anschluss an den Film gibt es als Bonusmaterial ein Gespräch zwischen Autor Marko Dinić und der Regisseurin moderiert von Josef Kirchner, dem Co-Leiter des Literaturfests Salzburg. Biller erzählt, wie der Text des vielschichtigen Romans zwei Mal fragmentiert werden musste, erst für die Bühnenfassung, dann nochmals für die Filmfassung. Es war eine Herausforderung, die vielen Themen und verschiedenen Zeitebenen in dem einstündigen Streifen unterzubringen. Der Autor erzählt von seiner Intention, universelle Konflikte, wie Krieg, Nationalismus, Patriarchat und Autorität, aufzuzeigen. Sein Roman soll Beitrag zu einer europäischen Erinnerungskultur sein. Felicitas Biller schwärmt von Rainer Maria Rilkes Elegien, die von Gudrun Plaichinger in ihrer Rolle als Großmutter mit positiver Kraft und Musikalität leitmotivisch den Film begleiten.
Gratulation an das Toihaus Salzburg, den Zsolnay Verlag und das gesamte Team für dieses hochinteressante, ambitionierte Projekt, das – sollte man ihn nicht schon gelesen haben – auf alle Fälle neugierig macht auf den Roman von Marko Dinić.
„Die guten Tage“ – Bühnenfassung: Felicitas Biller, Marko Dinić. Regie: Felicitas Biller Spiel: Dominik Jellen, Max Pfnür, Gudrun Plaichinger. Musik: Gudrun Plaichinger, Fabian Schober. Video: Fabian Schober. Bühne: Felicitas Biller. Kostüm: Dominik Jellen. Filmproduktion: Fabian Schober, Philipp Slaboch, David Weise (Feikind). Licht und Technik: Alexander Breitner, Robert Schmidjell. Fotos: Fabian Schober/ toihaus Salzburg

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