Michel Jean: Kukum

Michel Jean | Foto: Wieser verlag

Michel Jean | Foto: Wieser verlag

Autor: Michel Jean
(Buch aus dem Französischen übersetzt von Michael von Killisch.Horn)
Titel: Kukum
Roman
ISBN: 978-3-99029-470-3
Verlag: Wieser Verlag GmbH
Erschienen: 2021

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Klappentext:

Michel Jean erzählt in Kukum die Geschichte seiner Urgroßmutter Almanda Siméon, die 97 wurde. Als Waise von ihrer Tante und ihrem Onkel aufgezogen, lernt sie mit fünfzehn den jungen Innu Thomas Siméon kennen, verliebt sich trotz der kulturellen Unterschiede sofort in ihn, sie heiraten, und Almanda lebt von da an mit dem Nomadenstamm, dem er angehört, lernt seine Sprache, übernimmt die Riten und Gebräuche der Innu von Pekuakami und überwindet so die Barrieren, die den indigenen Frauen aufgezwungen werden.

Anhand des Schicksals dieser starken, freiheitsliebenden Frau beschreibt Michel Jean auch das Ende der traditionellen Lebensweise der Nomadenvölker im Nordosten Amerikas, deren Umwelt zerstört wurde und die zur Sesshaftigkeit gezwungen und in Reservate gesperrt wurden, ohne Zukunftsperspektive, ein Leben geprägt von Gewalt, Alkohol und Drogenkonsum.

Der Roman wurde im Herbst 2020 mit dem Prix littéraire France-Québec ausgezeichnet.
„Ich spüre in mir die Verantwortung, unsere Geschichten zu erzählen, die der Innu und der Mitglieder der Ersten Völker. Denn sie kommen praktisch nirgends vor. In den Geschichtsbüchern nehmen sie nur wenig Raum ein. In Nordamerika beginnt die Geschichte mit der Ankunft von Christoph Kolumbus 1492, diejenige Kanadas mit Jacques Cartier 1534. Aber wir leben hier seit 15 000 Jahren. Wenn wir unsere Geschichten nicht erzählen, wer dann?“

Anni Lemberger

Rezension von Anni Lemberger

Im Sommer sitzt die 15jährige Almanda am Riviére á la Chasse und schaut in den Sonnenuntergang. Da erblicken sie einander zum ersten Mal, „er“, der 18jährige „Indianer“ Thomas Siméon vom Stamme der Innu und „sie“ die Tochter irischer Einwanderer Almanda Fortier, deren Eltern schon lange tot waren. Dieser eine kurze Blick genügte um eine Liebe entstehen zu lassen, die einzigartig war und lebenslänglich anhielt, obwohl sie unterschiedlicher nicht sein konnten.

Ihre Zieheltern, die Almanda „Onkel und Tante“ nennt, erkennen schnell, dass es sinnlos ist, ihr „den Indianer“ auszureden. So zieht sie rasch – obwohl noch sehr jung – mit ihrem Tom an den Pekuakamisee zu seinem Stamm, wo sie Teil seiner Familie wird. Sie kann weder die Sprache, noch kennt sie die Kultur ihrer neuen Familie und diese sprechen kaum französisch, können nicht lesen, schreiben oder rechnen. Aber sie beherrschen die Fähigkeit in Einklang mit der Natur zu leben und trotzen damit dem subarktischen Klima. Und genau, das ist es, was Almanda sucht. Für ihre Freiheitsliebe und ihre Liebe zu Thomas nimmt sie die großen Strapazen dieses neuen Lebens auf sich, bekommt 9 Kinder von denen eines kurz nach Geburt stirbt, und wird zu einer echten Innu – mit blonden Haaren und blauen Augen.

Als ihre ersten Enkel geboren werden, verändert sich das Leben der kanadischen Ureinwohner ganz massiv: Sie werden von den europäischen Einwanderern überrannt, ihre Kultur und ihre Sprache immer weiter zurückgedrängt. Von ihrem Land und ihren Jagdgründen werden sie fern gehalten, in Reservate eingepfercht und die Kinder werden ihnen abgenommen, um in Schulen und Internaten „gebildet“ zu werden. Die, von der katholischen Kirche betriebenen „Bildungseinrichtungen“ haben den grauenhaften Ruf, dass Kinder von den Priestern missbraucht werden. Nur glauben es die erwachsenen Innu sind, weil sie sehr gläubigen Katholiken sind und diese Verbrechen nicht zu ihrem Priester- Bild passen. Ein Fehler, wie heute bekannt ist…

Dem Autor des Buches, der ein Urgroßenkel von Almanda und ein echter Innu ist, ist es gelungen anhand der Lebensgeschichte seiner Urgroßmutter die Geschichte der nordamerikanischen Ureinwohner darzustellen. Er zeigt in seiner berührenden Erzählung die Diskriminierung der Indianerstämme, die seit 15.000 Jahren dort leben, durch die europäischen Einwanderer auf. Bereits die Enkelkinder haben ihre Muttersprache, das „Innu-aimun“ verlernt. Viele Innu suchen Trost im Alkohol, weil sie zur Untätigkeit verdammt sind. Und einige der Internatskinder sterben unter mysteriösen Umständen, die nie geklärt werden – so auch eine Enkelin von Almanda.

Diese wahre Geschichte steht jetzt in einem anderen Licht da – nachdem 100e Kinderskelette von eingeborenen Kindern rund um die ehemaligen Internate gefunden wurden – eine Tatsache, die beim Entstehen des Buches noch nicht bekannt war.

Mit dieser Erzählung ist es dem Autor gelungen, seinem Volk einen Teil ihrer gestohlenen Würde zurück zugeben.


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