Charles Gounods Oper „Faust“ wird im deutschen Opernbetrieb meist „Margarethe“ genannt, steht doch hier das Schicksal des armen, verführten und dann verlassenen jungen Mädchens im Zentrum. Die Handlung folgt zwar in groben Zügen Goethes Drama, doch ohne den philosophischen und wissenschaftlichen Tiefgang der literarischen Vorlage, was ihr öfters den Vorwurf der Oberflächlichkeit einbrachte. Die Universität Mozarteum bescherte dem Publikum im Max Schlereth Saal einen szenisch und musikalisch absolut großen Opernabend.

Auf einer trostlos wirkenden, leicht schrägen Scheibe mit ein paar verdorrten Grasbüscheln scheint ein Obdachloser zu schlafen. Es handelt sich hier aber um den verzweifelten Faust. Nach der morgendlichen Rasur klappt er noch ein letztes Mal seinen Laptop auf, um dann sein Leben mit Gift zu beenden. Da erscheint Mephisto und verspricht, ihm jeden Wusch zu erfüllen. Doch Faust verlangt nur die Genüsse der Liebe: „A moi les plaisirs, les jeunes maîtresses!“ Er unterschreibt einen Vertrag, in dem er Mephisto im Jenseits seine Seele übergibt, doch ihm Diesseits soll sie im gehören. Nach einem Verjüngungstrank triumphiert Faust und besingt seine Jugend. Margarethes Verführung ist für Faust mit teuflischer Hilfe und kostbaren Juwelen natürlich ein Leichtes. Monate später hat Faust sie verlassen und sie sitzt, verspottet von den Dorfbewohnern, mit einem Kind alleine da. Auch bei der Ermordung ihres Kindes ist Mephisto die treibende Kraft. Im Gefängnis kommt es dann zum bekannten Finale: „Sie ist gerichtet! Sie ist gerettet!“


Es ist immer wieder faszinierend, welch großartiger Bilder durch passende Beleuchtung mit einigen wenigen Requisiten und einem schlichten, minimalistischen Bühnenbild erzielt werden können (Bühne: Sophie Thammer). Für Valentins Verabschiedung reichen ein Kühlschrank und ein paar Sektgläser. Ein Teppich und ein einfaches Klappbett werden zum Liebesnest. Während des Liebesduetts „Il se fait tard!“ sorgt die Nachbarin Marthe mit sieben altmodischen Stehlampen für romantische Stimmung, bevor Mephisto mit ihr verschwindet, um die Liebenden alleine zu lassen. Die jungen Sängerinnen und Sänger überzeugen nicht nur stimmlich, sondern auch mit enormer Spielfreude. Ein besonders vielversprechendes Talent ist die russische Sopranistin Margarita Polonskaya, die in der Vorstellung am 31.1.2022 die Margaretha sang. Sie hat schon viele Preise gewonnen und wird ab der Spielzeit 2022/23 Mitglied des Opernstudios der Opéra national de Paris. Überzeugen konnte auch der deutsch-italienische Bassbariton Max Tavella als charismatischer Mephisto, dessen höllischen Kräften keiner entkommt. Faust (Daehwan Kim), Valentin (Taesung Kim), Siébel (Lyriel Benameur) und Marthe (Tamara Nüßl) sind ihm hilflos ausgeliefert. Vielbeschäftigt ist in dieser Oper auch der Chor, denn blitzschnell geht es für die gerade noch kichernden Bauernmädchen zum blutigen Hexensabbat.
Regisseur Alexander von Pfeil gelang mit dieser modernen und dank großartiger Lichtregie überaus atmosphärischen Inszenierung ein Opernabend, wie man ihn sonst nur an großen Theatern erleben kann. Das Publikum zeigte sich begeistert.

„Faust“ Oper von Charles Gounod. Eine Veranstaltung des Departments für Oper und Musiktheater in Kooperation mit dem Department für Gesang und dem Department für Bühnen- und Kostümgestaltung. Musikalische Leitung: Gernot Sahler. Szenische Leitung: Alexander von Pfeil.

Bühne: Sophie Thammer. Kostüme: Felicitas Stecher. Chorleitung: Niuniu-Miao Liu. Dramaturgie: Malte Krasting. Schauspielcoaching: Natalie Forester. Mit: Chanyoung Kim, Daehwan Kim, Max Tavella, Alexander Voronov, Taesung Kim, Xiaofei Liu, Veronika Loy, Margarita Polonskaia. Lyriel Benameur, Tamara Nüßl, Olaia Lamata. Chor der Universität Mozarteum Salzburg. Sinfonieorchester der Universität Mozarteum Salzburg. Fotos: Mozarteum/ Judith Buss
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