Marco Dott hat Andreas Steinhöfels Jugendroman aus dem Jahre 1998 für die Bühne bearbeitet und als kurzweiliges, temporeiches Kammerspiel in Szene gesetzt. Da derzeit keine Schulvorstellungen erlaubt sind, fand die Premiere in den Kammerspielen am 8. Februar 2022 vor gemischtem Publikum statt. Die zahlreich anwesenden Jugendlichen ließen sich von der unkonventionellen Familiengeschichte in ihren Bann ziehen und spendeten viel Applaus.

Der 17-jährige Phil wohnt gemeinsam mit seiner Mutter Glass und seiner Zwillingsschwester Dianne etwas außerhalb eines kleinen Dorfes in einer alten Villa. Die konservativen Dorfbewohner halten nicht viel von der sonderbaren Familie. Die Mutter wechselt eindeutig zu oft ihre Partner, die Kinder sind Außenseiter und werden gerne als „Hexenkinder“ bezeichnet. Während Phil ständig mit seiner besten Freundin Kat herumalbert, spricht seine verschlossene Schwester Dianne lieber mit Tieren. Sie alle wissen, dass Phil sich zu Männern hingezogen fühlt, doch das ist in dieser chaotischen Familie das geringste Problem. Als nach den Ferien ein neuer Schüler auftaucht, sind Phil und Kat begeistert, denn Nicholas ist sportlich und fesch, für Kat sogar „gutes genetisches Material“. Als Phil von Nicholas aber eindeutige Signale empfängt, verliebt er sich Hals über Kopf in ihn. Doch dann läuft nicht alles nach Plan.
Fünf weiße Vorhänge auf der ansonsten leeren schwarzen Bühne ermöglichen schnelle Ortswechsel (Bühne: Jan Hendrik Neidert). Marco Dotts Bühnenfassung erzählt die komplexe Familiengeschichte in vielen kleinen Szenen, da heißt es ständig: Vorhang auf! Vorhang zu! Aaron Röll überzeugt als gefühlvoller, sensibler Phil, der es einfach nicht verstehen kann, warum seine Mutter ihm nichts von seinem Vater erzählen will: „Es gibt nichts zu besprechen!“ Elisabeth Mackner verhält sich als seine Zwillingsschwester Dianne aggressiv und wütend, denn sie ist voll Hass gegen ihre egozentrische Mutter, die natürlich mit ihrem Vornamen Glass angesprochen werden will, denn es wird nicht „gemamt“. Genia Maria Karasek versprüht in ihrem kurzen, bunten Glitzerkleid Optimismus pur. Sie hält nichts vom Tratsch im Dorf und genießt ungebremst ihre Männergeschichten. Ob ihr neuer Lover, der Notar Michael (Marco Dott), das auf Dauer aushalten wird, ist allerdings fraglich. Antonia Leichtle darf als Phils beste Freundin Kat die coole, freche Göre spielen, die sich mit Jugendsprache bestens auskennt. Skye MacDonald stolziert zwar als Objekt der Begierde über die Bühne, doch sein exotisches Sammel-Hobby gibt zu denken.
Musik- und Videoeinspielungen lockern die doch sehr tiefgründigen Themenblöcke auf. „Die Mitte der Welt“ erzählt über die Problematik des Erwachsenwerdens und rät: „Entdecke die weißen Flecken auf deiner Landkarte und finde deine Mitte der Welt.“ Eine genaue Anleitung dazu gibt es im Programmheft. Bleibt nur zu hoffen, dass bald wieder Schülerinnen und Schüler die Theater stürmen dürfen.
„Die Mitte der Welt“ von Andreas Steinhöfel. Bühnenfassung von Marco Dott. Inszenierung: Marco Dott. Bühne: Jan Hendrik Neidert. Kostüme: Lorena Diaz Stephens. Dramaturgie: Anna Lukasser-Weitlaner. Mit: Aaron Röll, Skye MacDonald, Genia Maria Karasek, Elisabeth Mackner, Antonie Leichtle, Marco Dott. Fotos: Tobias Witzgall

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