Als letzte Premiere vor der Renovierung zeigt das Salzburger Landestheater die 2004 in Paris uraufgeführte Oper „Angels in America“ des ungarischen Komponisten Peter Eötvös. Die Oper basiert auf dem zweiteiligen, preisgekrönten Werk des zeitgenössischen amerikanischen Dramatikers Tony Kushner, der in „Millennium Approaches“ und „Perestroika“ die großen gesellschaftlichen Themen im Amerika der 1980er Jahre verarbeitet. Bei der Premiere am 10. April 2022 gab es erfreulich viel Applaus für eine moderne Oper.

Nach der jüdischen Trauerfeier von Louis’ Großmutter eröffnet ihm sein Freund Prior Walter, dass er Aids hat. Louis wendet sich entsetzt ab, er kann mit dieser Krankheit absolut nicht umgehen. Die nächste Szene spielt in der Kanzlei von Roy Cohn. Der umstrittene, konservative Anwalt möchte den Mormonen Joseph Pitt für seine dubiosen Geschäfte einspannen und ihm dafür beruflich weiterhelfen. Doch dieser hat ganz andere Probleme. Er versucht schon lange, seine Homosexualität zu verheimlichen. Seine Gattin Hannah flüchtet mit Hilfe von Valium-Tabletten in eine Scheinwelt. Sie möchte zu gerne wissen, warum ihr Mann nächtelang im Central Park spazieren geht. Dort trifft Joseph auf den von seinen Schuldgefühlen geplagten Louis und nun wagt er es endlich, sich seiner Mutter anzuvertrauen. Schließlich landen Prior Walter und auch Roy Cohn im Spital. Während Roy Cohn vom Geist der von ihm zum Tode verurteilten Ethel Rosenberg heimgesucht wird, erscheint Prior Walter ein Engel. Dieser behauptet, Gott habe sich zurückgezogen und nun solle er der neue Prophet sein. Doch die schwere Aufgabe, die Welt zu retten, lehnt er strikt ab. Er erscheint auf einer Engelskonferenz und verlangt nach „mehr Leben“, bevor er wieder ins irdische Chaos zurückkehrt.
Die schwarz verflieste Bühne (Bühne: John Farrell) ermöglicht ein fast übergangsloses Ineinanderfließen der Szenen. Der ständige Wechsel zwischen Vision und Realität sowie die leidenschaftliche Beziehung zwischen den Figuren stehen musikalisch im Vordergrund. Auch der glockenreine Sopran des Engels (Laura Incko) kann Prior Walter (George Humphreys) nicht umstimmen. Er will einfach kein Untergangs-Prophet sein. Seinen Wunsch nach mehr Leben bekräftigt eindrucksvoll die Musik. Zerrissen von Schuldgefühlen ist nicht nur Louis (William Ferguson), der seinen Freund im Stich lässt, sondern auch der strenggläubige Josef (Samuel Pantcheff), der lange gegen seine Neigungen ankämpft und schließlich doch aufgeben muss. Seine Frau Hannah (Olivia Cosio) flüchtet sich in Visionen und ist als Geist von Ethel Rosenberg kaum wiederzuerkennen. Die Figur des Roy Cohn (Raimundas Juzuitis) basiert auf einem berüchtigten, konservativen Anwalt, der 1986 an Aids starb, doch auf der Diagnose Leberkrebs bestand. Schwer beschäftigt sind der Countertenor Mattew Reese und die niederländische Mezzosopranistin Anna Maria Dur, die jeweils in vier völlig unterschiedliche Rollen schlüpfen müssen. Unterstützt werden die Sängerinnen und Sänger von einem Vocal-Trio (Hazel McBain, Bethany Yeaman und Philipp Schöllhorn), das sich mit dem Mozarteumorchester Salzburg und dem Dirigenten Lesli Suganandarajah hinter der Bühne befindet. Zum Schlussapplaus erscheinen alle Mitwirkenden samt Orchestermusiker auf der Bühne und man hört ein Raunen im Publikum, denn es war nicht allen klar, dass die Musik wirklich „echt“ war.
Das Salzburger Landestheater hat nach „Brokeback Mountain“ (2016) erneut mit der New York City Opera zusammengearbeitet. Sam Helfrich hat diese anspruchsvolle Oper für Salzburg neu eingerichtet und präsentiert ein vielschichtiges Drama mit einem faszinierenden Klangteppich, der an einen Broadway-Sound erinnert und dessen Thematik durch die gegenwärtigen Krisen nichts an Aktualität verloren hat.
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