Der Himmel über Berlin

Bereits im Frühjahr 2010 hatte der Intendant die Salzburger Bevölkerung um Mithilfe gebeten. An einer Haltestelle, im Bus oder im Supermarkt wird man oft für einen kurzen Augenblick in das Leben fremder Menschen hineingezogen und so zum unfreiwilligen Mithörer eines Gesprächs.

Elisabeth Pichler

Von Elisabeth Pichler

Man schmunzelt, staunt oder ärgert sich, aber es sind immer ganz besondere Momente. Rund 150 Geschichten, Gedichte und Erzählungen über solche Ereignisse sind im „Himmelsbüro“ (einer leerstehenden Trafik in der Altstadt) eingegangen und viele davon sind in die Bühnenfassung eingeflossen.

Die Engel Damiel und Cassiel wandern durch die Stadt und durch das Leben der Stadtbewohner. Diese nur für Kinder sichtbaren Wesen, nehmen die Gedanken und Gefühle der Menschen in sich auf, beobachten und begleiten sie aus nächster Nähe.

Doch was die Engel auch erleben, sie sind lediglich zum Zuhören verdammt, denn Eingreifen können sie nicht. Damiel ist mit seiner „Geistesexistenz“ unzufrieden, er wünscht sich wahre Gefühle und sehnt sich nach echten Berührungen. Als er sich in die Zirkusartistin Marion verliebt, wünscht er sich nichts sehnlicher, als ein Mensch zu werden, um eine Stimme zu besitzen, die seinen Gefühlen Sprache gibt. Cassiel hingegen versteht diese Sehnsüchte nicht, für ihn ist das Menschsein verbunden mit Lügen, Krankheit und Tod.

Die Bühne ist begrenzt von zwei Betonwänden, über die sich eine Brücke spannt. Auf der darunter liegenden Straße pulsiert das Leben. Hier spielen sich ganz unterschiedliche, kurze Szenen ab: traurige, berührende, komische und skurrile.

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Die beiden Engel beobachten das Geschehen von oben, oder sie mischen sich unter das Volk und legen tröstend die Hand auf so manche Schulter. Doch nur die Kinder spüren den sanften Flügelschlag der Geister und so wird die Handlung des Stückes umrahmt und durchdrungen von Peter Handkes „Lied vom Kindsein.“

Neben der Leistung des Schauspiel-Ensembles ist die der Menschen hinter der Bühne hervorzustreichen. Die Techniker schaffen es, in wenigen Minuten einen ganzen Zirkus aufzubauen, und sieben Garderobiers sind damit beschäftigt, den 200 verschiedenen Figuren beim Kostümwechsel zu helfen.

Die schnellen, kaleidoskopartigen Szenen werden immer wieder unterbrochen durch die wohlklingende, bekannte Stimme der Moderatorin Chris Lohner. Ihre Kurznachrichten sind wirklich topaktuell, der von ihr gemeldete Überfall auf eine Tabak-Trafik in Lehen stand erst am nächsten Tag in der Zeitung. Besondere Anstrengungen hat Shantia Ullmann auf sich genommen: Sie ließ sich in nur acht Monaten zur Trapezkünstlerin ausbilden und beeindruckt damit nicht nur den Engel Damiel.

Christoph Wieschke verkörpert diesen eigentlich sehr menschlichen, unzufriedenen Engel, dessen Wünsche sehr bescheiden klingen: barfuß gehen, eine Leberkäsesemmel, ein warmer Händedruck. Peter Marton hingegen ist ein absolut souveräner Geist, ihm reicht seine Rolle als Beobachter, und auf das ewige Leben will er auch nicht verzichten. Werner Friedl fühlt sich wohl in der Rolle des alten Professors Homer, der seine Lebenserfahrung weitergeben möchte, aber auf taube Ohren stößt.

Eine beeindruckende, aufwändige Inszenierung eines sehr poetischen Stückes über die Sehnsucht der Menschen nach Glück und Liebe und die der Engel nach einem ganz gewöhnlichen Leben. Sehr zu empfehlen ist auch das äußerst gelungene Buch zum Stück „Der Himmel über Salzburg“, in dem die vollständigen Texte aller eingesandten Geschichten zu finden sind. Faszinierende Fotos von Daniel Asher Smith zeigen Salzburg aus ganz ungewöhnlichen Blickwinkeln.

„Der Himmel über Berlin“ – Nach einem Drehbuch von Wim Wenders, Peter Handke und Richard Reitinger / Bühnenfassung von Carl Phillip von Maldeghem, deutschsprachige und österreichische Erstaufführung, Inszenierung: Carl Philip von Maldeghem / Bühne: Court Watson / Kostüme: Alois Dollhäubl / Artistiktrainer: Ulf Kirschhofer / Dramaturgie: Bettina Oberender / Mit: Christoph Wieschke, Peter Marton, Shantia Ullmann, Chris Lohner, Werner Friedl, Aris Sas, Kurt Schrepfer, Tim Oberließen, Anja Clementi, Maria Gruber, Ulrike Walther, Lisa Müller-Trede, sechs Kinder und zwei Hunden / Alle Fotos: Christian Schneider


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