Alte Meister

Alte Meister

Wir lieben das Scheitern, hassen die Vollkommenheit

Thomas Bernhard hat in seinem 1985 erschienenen Roman den Tod seines Lebensmenschen, Hedwig Stavianicek, verarbeitet. In der Bühnenfassung und Inszenierung von Irmgard Lübke im Schauspielhaus Salzburg teilen sich drei Geistesmenschen Bernhards Hasstiraden gegen Österreich als Kulturland. Wer diese Übertreibungen liebt, kann und darf herzlich lachen, schließlich handelt es sich ja um eine Komödie, wenn auch um eine ganz spezielle.

Elisabeth Pichler

Von Elisabeth Pichler

Seit über 30 Jahren sitzt der Kunstkritiker Reger beinahe täglich am Vormittag auf einer Bank im Bordone-Saal im Kunsthistorischen Museum in Wien und studiert Tintorettos „Weißbärtigen Mann“. Der Museumswächter Irrsigler, ein unterbezahlter Staatstoter, ist zwar ein burgenländischer Dummkopf, aber dafür ein ideales Sprachrohr.

Zweiter Ansprechpartner für Reger ist der Privatgelehrte Atzbacher. Reger führt eine Existenz in Todeskrankheit und versteht nicht, warum seine gesunde Frau vor ihm sterben musste: „Hätte ich gewusst, dass sie mir wegsterben wird, ich hätte völlig anders gehandelt…“ Eigentlich wollte er ihr ja „nachsterben“, aber jetzt klammert er sich doch wieder ans Leben.

Reger hasst das Kunsthistorische Museum, denn es hat ja nicht einmal einen Goya, nicht einmal einen El Greco, denn die widerlichen, dubiosen Habsburger hatten einfach keinen Kunstverstand. So vertreibt er sich die Zeit mit der Suche nach Fehlern, gravierenden Fehlern in den angeblichen Meisterwerken. „Alle diese Gemälde sind großartig, aber kein einziges ist vollkommen.“ Das Grundelement von Bernhards Prosa sind die Litanei und das Lemento und so wird gnadenlos gewettert: gegen Politiker, alles Massenmörder, Länder- und Staatenmörder und kleinbürgerliche Lehrer, die den Kunstgeschmack der Schüler verderben, denn Schulen sind „Menschenvernichtungsanstalten“.

Auch an Künstlern lässt er kein gutes Haar. Stifter, ein Provinz-Dilettant, der deutsche Philosoph Martin Heidegger, ein lächerlicher Nachdenker, und Beethoven, eine abstoßende Erscheinung, die nur Marschmusik zusammen brachte. Selbst vor den Wiener Toiletten macht er nicht halt, denn die sind ein Skandal, sind doch die Wiener die schmutzigsten Menschen überhaupt. Kein Wunder also, dass Bernhard oft als „Nestbeschmutzer“ bezeichnet wird. Ich habe aber noch immer sein verschmitztes Lächeln bei den grandiosen Monologen auf Mallorca mit Krista Fleischmann (gibt es im Internet zum Nachschauen) vor mir und da war soviel Humor zu spüren, vielleicht war das ja nur seine Art, seine Hassliebe zu Österreich auszudrücken.

Irmgard Lübke hat in ihrer Bühnenfassung den Text zwischen Harald Fröhlich (Reger), Olaf Salzer (Irrsigler) und Marcus Marotte (Atzbacher) gerecht verteilt, wobei der Zusatz „so Reger“, „sagt Reger“ vielfach verwendet wird. Die drei Herren zelebrieren Bernhards ätzende Kritik, Abneigung und sogar Ekel in sich steigernden Variationen.

Ragna Heiny hat im Kleinen Studio ein museales Ambiente mit glänzendem Fußboden, purpurroten Wänden, kostbaren Rahmen und einer gemütlichen weißen Sitzbank geschaffen. Für diesen unterhaltsamen Museumsbesuch im Schauspielhaus Salzburg hat sich das Publikum am 28. November 2022 mit kräftigem Applaus bedankt.

„Alte Meister“ von Thomas Bernhard. Regie und Fassung: Irmgard Lübke, Ausstattung: Ragna Heiny, Dramaturgie: Tabea Baumann. Licht: Marcel Busá. Mit: Harald Fröhlich, Olaf Salzer, Marcus Marotte. Fotos: Schauspielhaus/ © Jan Friese


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