„Nichts“ – eine experimentelle Performance

Nichts

Der Schauspieler, Performer und Filmregisseur André Hinderlich befasst sich in seiner dritten Arbeit in der ARGEkultur mit dem Nichts, der Abwesenheit von allem. Er stellt sich aber auch die Frage: „Lässt sich das Nichts auf der Bühne überhaupt darstellen?“ Genau dieser Aspekt hat mich neugierig gemacht. Am 19. Jänner 2023 durfte das Publikum den Künstler bei seinen Bemühungen, das Nichts zu verorten, begleiten. Sehr philosophisch und hoch interessant.

Elisabeth Pichler

Von Elisabeth Pichler

Zu Beginn gibt es genug Zeit, die Installationen im Studio zu studieren. Deren tieferer Sinn erschließt sich allerdings erst im Laufe der Performance. In der Mitte der Bühne steckt auf einer mit Mulch bedeckten Bahn ein Schild, das darauf hinweist, dass hier das Nichts zu Hause sei. Rechts und links davon baumeln große Glühbirnen, die der Künstler in Schwingungen versetzt. Die weißen und schwarzen Stoffberge mit den farblich passenden Luftballonen bekommen erst im zweiten Teil der Vorstellung eine Bedeutung. Aus einem Lautsprecher ertönt Hinderlichs sanfte Stimme. Er spricht von der Angst vor Bedeutungslosigkeit, von kreativer Langeweile, Leere und Öde und von Hypnos, dem Gott des Schlafes.

Mit der Aufforderung „Lasst die Leinwand herunter!“ wird der zweite Teil der Performance eröffnet und dieser beginnt mit Dunkelheit, der Abwesenheit von Licht. Dem Urchaos entspringt Gaia, die zu den von den Griechen verehrten Elementargöttern zählt. Als Erdmutter war sie eine sanfte, weibliche, hegende Gottheit und die Mutter von Uranus (Himmel), Pontos (Meer) und den Gebirgen. In einen blauen Umhang gehüllt beobachtet sie die Entstehung der Welt und lauscht den neuen Geräuschen, vom Kinderlachen bis zu dem heute nicht mehr wegzudenkenden Lärm von Motoren.

Der deutsche Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770 bis 1831) gilt als wichtigster und letzter Vertreter des deutschen Idealismus. Er hat sich intensiv mit der Lehre vom Sein auseinandergesetzt. „Das reine Sein und das reine Nichts ist also dasselbe. Was die Wahrheit ist, ist weder das Sein noch das Nichts, sondern daß das Sein in Nichts und das Nichts in Sein – nicht übergeht, sondern übergegangen ist. Aber ebensosehr ist die Wahrheit nicht ihre Ununterschiedenheit, sondern daß sie nicht dasselbe, daß sie absolut unterschieden, aber ebenso ungetrennt und untrennbar sind und unmittelbar jedes in seinem Gegenteil verschwindet. Ihre Wahrheit ist also diese Bewegung des unmittelbaren Verschwindens des einen in dem anderen: das Werden; eine Bewegung, worin beide unterschieden sind, aber durch einen Unterschied, der sich ebenso unmittelbar aufgelöst hat.“

Für mich war das nicht ganz einfach zu verstehen, doch in Kombination mit den grandiosen, faszinierenden Bildern auf der Leinwand entwickelte die Performance einen Sog und regte zum Nachdenken an. Jetzt weiß ich jedenfalls, was ich mir unter einer theatralen, multimedialen Lecture-Performance vorzustellen haben. Wieder etwas dazugelernt. Unter hinderlich.net (Menüpunkt: Theater/Performance) kann man Gaia in Aktion erleben.

„Nichts“ von André Hinderlich. Konzept, Idee, Text, Bühnenbild, Kostüm, Video und (Sprech)-Performance: André Hinderlich. Dramaturgische Mitarbeit: Philipp Lamprecht. Fotos: ARGEkultur

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