Zur Erinnerung an Georges Ourth

Georges-Ourth

„Warum sollten wir eigentlich nicht abheben?“

Georges Ourth – sein Name ist untrennbar mit der Elisabethbühne, heute Schauspielhaus Salzburg, verbunden. Er setzte in den 1970er Jahren mit Leidenschaft und Kompromisslosigkeit neue Maßstäbe in der Salzburger Theaterszene und professionalisierte als künstlerischer Leiter das ambitionierte Kellertheater unter der Elisabethkirche, das sich in den darauffolgenden Jahrzehnten zur größten unabhängigen Bühne Österreichs entwickelte. Erinnerung an den großen Theatermacher, der am 31. Dezember 2022 seinen 80. Geburtstag gefeiert hätte.

Claudia Karner

Von Claudia Karner

Schon in seiner Gymnasialzeit in Luxemburg – Georges Ourth wurde 1942 im Esch/Alzette geboren – faszinierte ihn Goethes Faust und so beschloss er, in Wien Schauspiel zu studieren. Seine ersten Lorbeeren verdiente er sich am Volkstheater und am Burgtheater. Danach kehrte er unfreiwillig nach Luxemburg zurück, wo er den Militärdienst ableisten musste, und gründete dort gemeinsam mit Tun Deutsch das Kasemattentheater (Centre Grand Ducal  d’Art Dramatique).

In den 1970er Jahren übersiedelte Ourth nach Stationen am Staatstheater Weimar, am Schauspielhaus Graz und am Staatstheater Mannheim nach Salzburg, arbeitete als Schauspieler und Regisseur am Landestheater und an der Elisabethbühne, wo er 1972 mit seiner ersten Inszenierung „Der Jasager und der Neinsager“ von Bertolt Brecht aufhorchen ließ. 1973 übernahm er die künstlerische Leitung der  Elisabethbühne, die 1967 offiziell von Georges Müller, einem Hamburger Opernsänger, gegründet worden war.  

Ourth, der die Profilierung des Ensembles im Blick hatte, setzte auf Klassiker. Seiner persönlichen Leidenschaft an brillant gedachter Sprache gehorchend, wuchs die Truppe an dieser Herausforderung und bescherte dem Publikum überwältigende Theatererlebnisse wie Faust I und II (mit Arno Fischbacher in der Titelrolle und Daniela Enzi als Mephisto), Peer Gynt, dem Hamlet-Projekt (Shakespeare, Stoppard, Heiner Müller), Die Verfolgung und Ermordung Jean-Paul Marats (Weiss), Wallenstein und Torquato Tasso. Neben den Klassikern brachte Ourth auch freches zeitgenössisches Theater zur Aufführung. „Es lebe der kleine Unterschied! Im kulturellen Leben bewirkt er Großes. Im Wettbewerb der Fantasien, Utopien und Neigungen spült sich  – auch wenn es lange dauert – doch wohl nicht der letzte Dreck nach oben. Hoffen wir es wenigstens…“, meinte er.

Ourths Spielplan war ein konsequent literarischer.  Dabei war sein Instinkt beim Erstellen des Spielplans untrüglich. Er spekulierte nicht, ließ sich nicht einordnen, entsprach keinem Bild, das man sich von ihm machte, aber er war verlässlich und wahrhaftig. Ein Zitat von ihm macht das deutlich: „Wir sind so frei, unsere Zuschauer mit Stücken anzugehen, die wir für notwendig halten, und gehen damit das Wagnis ein, dementiert zu werden. Verzeihen Sie diesen euphorischen Höhenflug! Aber warum sollten wir eigentlich nicht abheben und hoch fliegen?“

Dass es keine Nachwuchssorgen gab, dafür sorgte Georges Ourth selbst. Er bildete die Schauspieler*Innen im eigenen Haus aus. Dieses Modell der Schauspielschule war einzigartig. Die Schauspielstudent*Innen wurden sogleich in den Spielplan integriert, anfangs nur in kleineren Rollen. Dieses Modell, das das legendäre Truppen-Image des Theaters erzeugte, wurde so bis 2003 beibehalten.

Die Fotos stammen aus Theaterproduktionen aus der Ära Ourth in der alten Elisabethbühne. Mit freundlicher Genehmigung des Centre national de littérature, Mersch (Bestand Georges Ourth).

Die Elisabethbühne wurde zum Sprungbrett für viele Schauspieler. Harald Krassnitzer hat es gar zu Starruhm in der deutschsprachigen Fernsehlandschaft gebracht. Auch Branko Samaroski, Gerhard Greiner, Günter Franzmeier und Ingrid Mülleder sind oft in TV-Produktionen zu sehen. Die Liste jener, die in der Ära Georges Ourth ihr schauspielerisches Können erworben haben, ist lang. Stellvertretend seien hier Renate Rustler, die spätere Ehefrau von Georges Ourth, Ulrike Arp, Mario Eicher, Daniela Enzi, Gerard Es, Arno Fischbacher, Harald Fröhlich, Claudia Haas, Thomas Landl, Mario Plaz, Mathias Christian Rehrl, Georg Reiter sowie Katrin und Cordula Schurich genannt.

1987 wurde Ourths Schaffenskraft durch eine schwere Krebserkrankung  gebremst. Am 19. Mai 1988, einige Wochen nach der Premiere von „Der Vermessungsdirigent“ von Gottfried Benn, eine Inszenierung, in die er sein ganzes Herzblut gesteckt hatte, verstarb er im Alter von 46 Jahren. Der Schriftsteller Walter Müller schrieb in einem Nachruf: „Ohne ihn und seine Leidenschaft, ohne seine Kraft und Liebe gäbe es diese ganze bunte, vielfältige, spannende Theaterszene in Salzburg nicht. An ihm und seiner Arbeit haben sich viele Herzensflammen, Ideen und Sehnsüchte entzündet.“

Berührende Worte fand auch Reinhard Deutsch, der Chefdramaturg des Salzburg Landestheaters: „Viele haben von ihm gelernt, und es ginge nicht mit rechten Dingen zu, wäre nicht die eine oder der andere darunter,  weiterzuführen, was Georges Ourth erweckt hat – die große verzweifelte Begeisterung am Wort, am gesprochenen Gedanken, die Verzweiflung am Menschen und den Glauben an seine Möglichkeiten.“

D i e  eine, die dazu präsdestiniert war, Georges Ourths Werk fortzusetzen, war seine Frau, Renate Rustler-Ourth. Eine Prinzipalin in der Theaterwelt war in den 1980er Jahren noch eine Ausnahmeerscheinung. Doch die „Reni“ schaffte es, höchst erfolgreich als künstlerische Leiterin die Geschicke der E-Bühne zu führen. Bis 2003. (Aber das ist eine andere Geschichte.)

Sohn Alexander, 1978 gboren, trat in die Fußstapfen seines Vater und ist heute Schauspieler und Regisseur in Deutschland und Luxemburg unterwegs, hat in Trier zwei Truppen gegründet: Das Kulturlabor und kürzlich erst die Kulturrakete.

Renate Rustler-Ourth hat den künstlerischen Nachlass ihres Mannes dem Letzebuerger Literaturarchiv  anvertraut. Georges Ourth  fand seine letzte Ruhestätte auf dem Kommunalfriedhof in Salzburg.

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