Das ewige Lied von Sterblichkeit und Hoffnung

Matteo Haitzmann

Ein Mensch betritt die Bühne, ein Wesen in weißem Gewand, nimmt seinen Platz vor einem überdimensionalen weißen Polster ein und verschwindet gleichsam darin, als Projektionsfläche einer der großen menschlichen Katastrophen, die er dem Publikum in einer durchdringend persönlichen Performance näher bringen wird, er greift zu einer der zwei Violinen und beginnt zart daran zu zupfen.

Leo Fellinger

Von Leo Fellinger

Es geht um Aids, aber nicht so sehr um die Krankheit an sich, sondern um des gesellschaftlichen Umgang und Diskurs damit. Das klingt theoretisch, ist es aber nicht. Es ist vielmehr poetisch, das Verweben akribisch recherchierter Tatsachen, die als Projektionen sichtbar werden, Matteo Haitzmann förmlich durchdringen, durchbohren und in Form von Tönen wieder zurück ins Publikum finden, dorthin, wo auch die Quelle des Lichts, der Projektion steht, mitten unter den Leuten. Das greift tief und echt, aber auch metaphorisch sinnlich in die Geschichtsbücher von Aids und kommt heraus mit einer Musik, die Momente von eindringlicher, herzzerreißender Schönheit bietet, Geige und Stimme in Schleifen und Schichten verpackt und mit ätherischen Faktor im Raum klingen lässt.

Matteo Haitzmann verwendet für die Performance fünf offizielle Informationsquellen zum Thema Aids von 1981 bis heute und will damit die Veränderung der Wahrnehmung dieser Krankheit sichtbar machen. Es geht um Veränderung, die Menschen trotz aller Anstrengungen geschafft haben und wie viel Gemeinschaft und Freude, wieviel Schmerz und Glück dabei entstanden ist. Es ist eine Verbeugung und Danksagung für die unglaubliche Kraft, die von diesen Betroffenen kam, obwohl so viel Leid herrschte.

Haitzmanns Themen in diesem ambitionierten Programm „Those We Lost“ sind Sterblichkeit und Hoffnung, die Musik dabei inspirierend und verstörend, provokativ, seltsam und absolut fesselnd. Er agiert frei, emotional und ausdrucksstark in dem seltsamen ästhetischen Raum, den er um sich selbst geschaffen hat. Die Anmut und Präzision seines Geigenspiels ist berührend, seine Stimme authentisch, technische Raffinessen wie Looping setzt er auf eine kunstvolle Art und Weise ein, um seinem Werk Nuancen und Dimensionen zu verleihen.

Wer sich auf dieses Programm bedingungslos einlässt, kann am Ende des Konzerts viel mitnehmen.

(3. März 2023, Emailwerk Seekirchen)

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