
Autorin: Gertraud Klemm
Titel: Abschied vom Phallozän – Eine Streitschrift
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Sonstige
ISBN: 978-3-7518-2088-2
Verlag: Matthes & Seitz Verlag
Erschienen: 31.07.2025
Klappentext:
Der Showdown des Anthropozäns scheint nah: Vor der Kulisse aus Klimakrise und Kriegen droht eine Handvoll machttrunkener und skrupelloser Politiker im Verein mit rücksichtslosen Techmilliardären die Welt gegen die Wand zu fahren. Was all diese Akteure von nie dagewesener globaler Wirkmacht gemein haben? Es sind ausnahmslos Männer. Ignoriert man diesen weißen Elefanten im Raum, hilft auch aller Aktivismus nicht, denn: Nicht der Mensch hat die Erde im Würgegriff, sondern das Patriarchat! Es zu überwinden hieße, den gröbsten globalen Problemen gebündelt entgegenzutreten. Sklaverei, Rassismus, Kolonialismus und Imperialismus schienen bis vor Kurzem noch »alternativlos«, doch sie konnten weitestgehend aufgearbeitet werden, weil sie entlarvt wurden: als Missstände, die der Spezies Mensch unwürdig sind. Warum sollte das mit dem Patriarchat nicht auch gelingen?

Rezension von Anna Lemberger
„Ich habe eine Vision“ – so könnte das Essay von Gertraud Klemm übertitelt sein. Kritisch analysiert sie die Probleme der Welt und ortet das Patriarchat als Ursache allen Übels auf unserer Erde.
Egal, ob es sich um Superreiche, Kriegstreiber oder umweltzerstörende Präsidenten handelt – hinter allem stecken patriarchale Strukturen, die den Planeten an die Wand fahren, so die Feministin. Klemm wirft aber auch einen scharfen Blick auf die monotheistischen Religionen, deren Schöpfungsgeschichten Frauen als minderwertig darstellen und sie zum Anhängsel der Männer degradieren.
Nicht weniger frauenfeindlich beurteilt die Autorin die Geisteswissenschaften, die Frauen auf die Rolle der fruchtbar Gebärenden reduzieren und sie ansonsten zum Schweigen verdammen. Sie spricht von einer „Phallosophie“ – ein Begriff, mit dem sie auf die Vorherrschaft und frauenfeindlichen Denkmuster vieler männlicher Philosophen anspielt.
Besonders problematisch sieht Klemm die Massenvergewaltigungen an Frauen als Kriegsstrategie, deren Traumata über Generationen hinweg weitergegeben werden. Auch hier zeige sich das pathologisch männlich dominierte Weltbild.
Demgegenüber stellt die Autorin ein matriarchales Gesellschaftsmodell vor. Dieses sei kein Spiegelbild männlicher Hierarchien, sondern komme gänzlich ohne Machtstrukturen aus. Dafür habe sie außereuropäische Ethnien besucht, in denen Frauen mit ihren Kindern eine gemeinschaftliche Lebensform praktizieren – Männer kommen nur zu Besuch. Vaterschaft ist dort kaum Thema, Besitz wird gemeinschaftlich geteilt, was laut Klemm Neid, Missgunst und Gewalt vorbeugt.
Die Frau als „Mensch zweiter Klasse“ zu betrachten, sei kein uraltes Naturgesetz, sondern ein Export europäischer Imperialisten und katholischer Missionare. Daher fordert Klemm das Ende des Phallozäns – des Zeitalters des Patriarchats. Dieses sei dem Menschen weder genetisch mitgegeben noch Teil der Evolution.
Allerdings bleibt offen, wie der Wandel gelingen soll. Momentan spalte ein großer Konflikt die Feministinnenszene, da der Begriff „Frau“ zunehmend unklar werde: Kann eine Frau ein Phallusträger sein? Kann ein Mann eine Gebärmutter haben? Und wo finden sich all die anderen Geschlechter wieder?
Gertraud Klemm gelingt es in dieser visionären Streitschrift, die Grundhaltungen des Feminismus eindrucksvoll zu vermitteln. Sie lädt zum Nachdenken ein und stellt unbequeme Fragen – etwa, wie viel patriarchales Machtverhalten Frauen längst übernommen haben. Auch die gesetzliche Frauenquote sieht sie kritisch: Sie sei nur eine Kopie männlicher Machtmechanismen.
Ein herausforderndes, aber hochaktuelles Essay, das zur Analyse gesellschaftlicher Strukturen und zur Reflexion über Geschlechterrollen anregt. Die Sprache ist wissenschaftlich anspruchsvoll, bleibt im Kontext aber verständlich.
Gertraud Klemm zeigt mit visionärem, feministischen Scharfsinn: Von echter Gleichberechtigung sind wir noch weit entfernt. Ein Buch für alle, die sich ernsthaft und kritisch mit Gleichstellung und Patriarchat auseinandersetzen wollen.

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