Camilla Brunelli: Interview mit Giorgio Frassineti

Camilla Brunelli. Foto: Wikipedia

Herr Bürgermeister Frassineti, was bedeutet es, Bürgermeister eines Ortes wie Predappio zu sein, in dem Benito Mussolini geboren wurde?

Ich bin vor 47 Jahren in Predappio geboren. Es ist für mich eine große Ehre, meine Mitbürger zu vertreten, viele von ihnen sind Freunde. Wir wissen genau, wo wir geboren sind, wo wir leben. Es ist eine Ehre aber auch eine große Verantwortung, da hier Benito Mussolini begraben ist, eine der – auf tragische Weise – bekanntesten Persönlichkeiten des zwanzigsten Jahrhunderts. Heute noch wird unserem Ort großes Interesse entgegengebracht, aber nicht nur im historischen, sondern leider auch im politischen Sinn … In Predappio war auch Adone Zoli geboren, bedeutender Jurist und italienischer Premierminister in den Jahren 1957-1958. Und er war es auch, der beschloss, die sterblichen Überreste von Mussolini nach Predappio zu bringen.

Einen Ort braucht man auch, sonst hält man es wie die Amerikaner, die Osama Bin Laden eingeäschert und im Meer zerstreut haben. Zoli sagte auch, dass demokratische Institutionen sich nicht davor fürchten müssen, Spuren einer solchen Vergangenheit zu bewahren. Einfach ist es aber nicht. Der italienische Journalist Enzo Biagi sagte einmal, Predappio sei zur Geisel für das Exil eines Toten geworden. Für mich ist Predappio eine der vielen Etappen der Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts, wie Braunau und Mauthausen. Und wir müssen diese Erinnerung aufrecht erhalten, aber nur, damit jene Zeiten nie wiederkehren!

Sagen Sie uns etwas über die sogenannten „Pilgerfahrten“ zur Krypta von Mussolini. Wie reagiert die Bevölkerung?

Es handelt sich um regelrechte Gedenkfeiern, die drei Mal im Jahr stattfinden, am Geburts- und am Todestag von Mussolini und am Jahrestag des „Marsches auf Rom“. Die Beteiligung an diesen Veranstaltungen und die Besuche am Grab sind seit 1957 nicht stärker geworden, sondern konstant geblieben, ca. 100.000 Menschen pro Jahr. Aber während es früher hauptsächlich „Schwarzhemden“ waren, d.h. echte Faschisten die den „römischen Gruß“ machten, sind heute auch viele Schaulustige dabei. Diese Veranstaltungen werden von einem Lefèvre-treuen Priester organisiert, einem gewissen Giulio Tam von der neofaschistischen Partei Forza Nuova, der aber inzwischen seines Priesteramtes enthoben wurde. Ich verurteile diese Veranstaltungen zutiefst und habe dies wie…

Views: 2

Dorfladen

Kommentar hinterlassen zu "Camilla Brunelli: Interview mit Giorgio Frassineti"

Hinterlasse einen Kommentar