Das Schauspielhaus Salzburg präsentiert als erste Winterpremiere ein zur Jahreszeit passendes, düsteres Kammerspiel des schwedischen Autors August Strindberg (1849-1912). Diese Koproduktion mit dem Escher Theater taucht tief ein in eine familiäre Schicksalsgemeinschaft, die sich selbst als Gomorrha sieht, einen Ort für Laster und Korruption. Die Premiere am 20. November 2024 ließ wohl niemanden kalt.
In diesem Haus sind alle verkühlt und es wird viel gehustet. Kein Wunder, denn Elise, die Frau des Hauses, will einfach nicht einheizen. „Wir können es uns nicht leisten, Geld zu verbrennen!“ Es war die Idee ihrer Töchter, die Trauerfeier für den verstorbenen Vater hier abzuhalten. Die schwächelnde Friederike studiert Jura und macht ihrer Mutter ständig Vorwürfe, denn sie habe sie von Kindheit an hungern und frieren lassen. Der alte Diener Gerd gibt ihr vollkommen Recht, er hat die ganze Misere ja miterlebt.
Elise war wirklich eine entsetzlich schlechte, grausame Mutter, die immer nur genießen wollte. Das war für ihre Umgebung äußerst unangenehm, wenn nicht sogar tödlich. Ihren Mann hatte die Narzisstin schon längst verlassen. Nun hat sie ein Auge auf Axel, den Ehemann ihrer Tochter Gerda, geworfen. Die beiden kommen gerade von der Hochzeitsreise zurück, doch junges Glück schaut anders aus. Elise blüht geradezu auf, als sie ihren Schwiegersohn erblickt, denn er ist für sie „etwas ganz Besonderes“. Axel, ein brutaler, rücksichtsloser Macho, ist aber total frustriert, hat er doch bemerkt, dass es nichts zu erben gibt. So hat er für Frau und Schwiegermutter nur Verachtung übrig und demütigt sie ständig. Als Friederike einen Brief ihres Vaters aus dem Jenseits erhält, kippt die Stimmung völlig.
Nora Koenig überzeugt in der Rolle der hartherzigen, eiskalten Elise, die ihr erzieherisches Fehlverhalten nicht zur Kenntnis nehmen will. Nur der smarte Axel kann sie zum Lächeln bringen. Die kränkliche, schwache Friederike (Johanna Klaushofer) badet in Selbstmitleid. Gerda (Christine Tielkes) schleicht wie eine Schlafwandlerin über die Bühne. Was ihre Mutter da mit ihrem Mann treibt, scheint ihr völlig egal zu sein. Adrien Papritz gibt Axel, den widerlichen Macho, der glaubt, er sei das betrogene Opfer, hat er sich doch durch diese Heirat Geld erwartet. Germain Wagner rettet sich als alter Diener Gerd in die Philosophie, kein Wunder bei dieser kaputten Familie.
In der Antike glaubte man, dass der Pelikan seine Jungen mit seinem eigenen Fleisch und Blut ernährte. August Strindberg greift diesen Mythos auf, verkehrt ihn aber ins Gegenteil. Stefan Maurer hat nicht nur Regie geführt, sondern auch die Bühne entworfen. Hinter einem weißen Vorhang verbergen sich der tote Vater und ein Klavier. Am Boden liegen viele graue Decken, die vielseitig einsetzbar sind, hauptsächlich sollen sie aber in diesem eiskalten Haus für etwas Wärme sorgen. Oft macht die Nähe zum Publikum die Brutalität auf der Bühne fast unerträglich. Kein Wunder, dass eine Warnung vor Gewalt an Frauen ausgesprochen wird. Wirklich kein einfacher Theaterabend, doch zum Glück sind nicht alle Familien gleich.
„Der Pelikan“ – August Strindberg. Eine Koproduktion des Escher Theaters und des Schauspielhauses Salzburg. Deutsch von Angelika Gundlach. Regie und Bühne: Stefan Maurer. Kostüme: Jessica Karge. Mit: Nora Koenig, Johanna Klaushofer, Christine Tielkes, Adrien Papritz, Germain Wagner. Fotos: Schauspielhaus © Patrick Galbats
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