Der Theaterverein body end sole wurde 1993 von Christa Hassfurther gegründet. Anlässlich des 30-Jahre-Jubiläums hat sie die künstlerische Leitung an Dominik Jellen und Johanna Seelbach übergeben. In den nächsten drei Jahren sollen nun die sieben Todsünden auf der Bühne behandelt werden.
Den Start macht Thomas Bernhards Zweipersonenstück, das den Neid zum Thema hat. Die gelungene Premiere am 21. März 2024 im Stadttheater Hallein macht neugierig auf die weiteren Veranstaltungen.
„Wie ich diese Dienstage hasse, noch mehr hasse ich die Donnerstage.“ Karl wartet auf seinen Bruder Robert, der zu den zwei Mal wöchentlich stattfindenden Besuchen natürlich wie immer zu spät kommt. Vor kurzem ist Karls Lebensgefährtin Mathilde gestorben. „Die gescheiterte Pianistin“, wie er sie verächtlich nennt, hat ihn „im ungünstigsten Moment verlassen“. Dreißig Jahre hat er ihre Unzulänglichkeit ertragen und nun ist er völlig irritiert, hat sie doch seinem Bruder Robert das Wochenendhäuschen vermacht. „Der Schauspieler also verdiente es, nicht der Artist – der Hochstapler, nicht der Lebensgefährte.“
Karl war Tellerartist, er konnte in seiner Glanzzeit 21 Teller gleichzeitig in der Luft halten. Sein Bruder Robert, ein zweitklassiger Provinz-Schauspieler, hat es zu gar nichts gebracht. Nur sein Tasso, der war ganz in Ordnung. Den hat Robert über 100 Mal gespielt, bis er sich ein Bein brach. Das Aufeinandertreffen der beiden zerstrittenen Brüder verlegt Regisseur Dominik Jellen in eine Aussegnungshalle mit einem riesengroßen roten Sarg (Bühne: Nina Vasilchenko).
Foto: bodi end sole
Sebastian Krawczynski steckt in einem originellen schwarzen Anzug, auf den er sichtlich stolz ist, kann er ihn doch nicht nur bei Beerdigungen, sondern auch auf diversen Festen tragen (Kostüm: Franziska Krug). Im Gegensatz zu Karl ist Robert (Maximilian Pfnür) fast eine Frohnatur, auch das ist für seinen Bruder ein ständiges Ärgernis. Die Dialoge mutieren zu Selbstgesprächen. Nichtige Alltäglichkeiten werden hochgeschraubt und lösen totale Verzweiflung aus. Jordina Millà verkörpert den Geist der verstorbenen Mathilde. Sie spielt am Flügel, für Karl Mozart und für Robert Brahms. Leider erträgt Karl ihren „Dilettantismus“ nur schlecht und so wird sie immer wieder verjagt.
Dominik Jellen hat Thomas Bernhards rhythmisch fließenden Text mit passendem, etwas reduziertem Tempo in Szene gesetzt. Maximilian Pfnürs skurrile Slapstick-Einlagen lockern die Monologe, die von furioser Künstlichkeit sind, immer wieder auf. Obwohl ich noch die Bilder der Uraufführung 1984 am Schauspielhaus Bochum mit Bernhard Minetti und Traugott Buhre im Kopf habe, war diese leicht adaptierte Fassung mit zwar etwas jüngeren, aber groß aufspielenden Schauspielern absolut sehenswert.
„Der Schein trügt“ – von Thomas Bernhard. Stadttheater Hallein. Regie und Dramaturgie: Dominik Jellen. Produktion: Johanna Seelbach. Musik: Jordina Millà. Bühne: Nina Vasilchenko. Kostüm: Franziska Krug. Licht/Ton: David Enhuber, Gonçalo Formiga. Technik: Patrick Tuma. Mit: Sebastian Krawczynski und Maximilian Pfnür.
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