Die Erfindung der Demokratie – Der vergessene Teil der Orestie

orestie

In der griechische Tragödien-Trilogie des Dichter Aischylos (525–456 v. Chr.) „Die Orestie“ geht es um Gewalt und Rache. Im dritten Teil, den selten gespielten „Eumeniden“, wird der Übergang vom Prinzip der individuellen Rache zur geordneten Rechtsprechung durch ein Gericht, das die Bürgerschaft repräsentiert, geschildert. Die Fassung von John von Düffel ist nicht so sperrig, wie der Titel vermuten lässt, und so erntete die klare, einprägsame Inszenierung von Carl Philip von Maldeghem bei der Premiere am 18. November 2023 im Salzburger Landestheater viel Applaus.

Elisabeth Pichler

Von Elisabeth Pichler

Ein Medium informiert das Publikum über die Vorgeschichte. Agamemnon, der Held von Troja, hat seine Tochter Iphigenie geopfert und wurde daher von seiner Gattin Klytämnestra ermordet. Nun war Orest gezwungen, seine Mutter zu töten. Seitdem verfolgen ihn die Erinnyen, die rasenden Rachegöttinnen. Da erscheint Apollon, der Gott des Lichts und der sittlichen Reinheit, der ihm den Auftrag zum Muttermord erteilt hatte. Er schickt Orest nach Athen, um bei Pallas Athene, der Göttin der Weisheit, Schutz zu suchen. Diese ist jedoch auch überfordert und so ruft sie die Bewohner*innen der Stadt Athen als Richter*innen auf. Da die Abstimmung unentschieden endet, kommt es zum Freispruch, denn „in dubio pro reo“, im Zweifel für den Angeklagten. Die Wut der Erinnyen ist grenzenlos und es ist wahrlich nicht leicht, sie zu überzeugen und aus ihnen die Eumeniden, die Wohlwollenden, zu machen. Mögen Versöhnung, Wohlwollen und Erinnerung Bestand haben.

Maximilian Paier huscht verängstigt und mit blutbeflecktem Hemd über die Bühne, stets verfolgt von den Geschwistern der Finsternis. Die sind wirklich zum Fürchten, denn ihr Hass ist grenzenlos. Bei Muttermord darf es keine Gnade geben. Mit ihrem Gekeife wirken Larissa Enzi, Sarah Zaharanski und Tina Eberhardt im Gegensatz zu den noblen Göttern fast menschlich. Sie erinnern aber auch an den Teufel im „Jedermann“, der einfach nicht verstehen kann, dass jemand, der eindeutig schuldig ist, begnadigt wird. Die elegante Athene (Nikola Jaritz-Rudle) und der smarte Apollon (Matthias Hermann) müssen ihre ganze Überzeugungskraft aufbieten, damit diese Furien das Urteil akzeptieren und aus ihnen wohlmeinende Eumeniden werden. Statt der Athener Bevölkerung darf das Saalpublikum abstimmen, wobei das Medium Georg Clementi als Moderator Hilfe leistet. Als Klytämnestras Schatten gibt es Videos und Texte von der Initiatorin des Holocaust-Mahnmals in Berlin, Lea Rosh.

Ausstatterin Eva Musil hat ein modernes, sehr funktionelles Ambiente geschaffen, das den Erinnyen genug Platz für ihre Wutausbrüche bietet. Bühnenfassungen von John Düffel sind stets mit feinem Humor gespickt und so hat er es auch diesmal wieder geschafft, Aischylos so zu servieren, dass die „Eumeniden“ das Publikum in ihren Bann ziehen. Carl Philip von Maldeghems aktionsgeladene, flotte Inszenierung ist auch Jugendlichen sehr zu empfehlen, denn die Thematik einer gespaltenen Gesellschaft ist derzeit hochaktuell.

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