Ein Koffer groß wie ein Land

Ein Koffer groß wie ein Land

Sehnsucht nach der Heimat

Der intime, leere Raum der Breloque Theater Group im Andräviertel bietet das perfekte Ambiente für das berührende Solostück des Regisseurs Arturas Valudskis. Die Schauspielerin Matea Novak konfrontiert das Publikum mit einfühlsamen Texten der in Rumänien geborenen Schriftstellerin Aglaja Veteranyi und regt zum Nachdenken an.

Elisabeth Pichler

Von Elisabeth Pichler

Es geht um die Verunsicherungen, mit denen Menschen aus anderen Kulturen im westlichen „Paradies“ zu kämpfen haben. Viel Applaus als Dank für eine großartige Performance am 3. Mai 2025.

Zur Einstimmung setzt sich Arturas ans Klavier und entführt uns mit rauer Stimme in seine Heimat Litauen. Er singt auf Romanes, der Sprache der Sinti und Roma, die er von Freunden aus Kindertagen kennt.

Aglaja Veteranyi (1962–2002) kam 1967 mit ihrer Familie aus Rumänien in die Schweiz. Sie konnte keine Schule besuchen, da ihre Eltern als Zirkusartisten unterwegs waren. Die deutsche Sprache musste sie sich daher selbst beibringen. Sie absolvierte eine Schauspielschule und veröffentlichte als freie Schriftstellerin zahlreiche Romane, Kurzgeschichten, Gedichte und Theaterstücke. Matea Novak setzt an diesem Abend eine kleine Auswahl dieser Texte theatral um. Sie erscheint mit einem alten Koffer voller Erinnerungsstücke. Ein großes weißes Bettlaken lässt sich vielseitig verwenden, für allerlei Verkleidungen bis hin zum Totenhemd.

Es folgen kleine Szenen, meist aus kindlicher Perspektive. Spricht Gott eigentlich Fremdsprachen? Müssen ihm etwa die Engel als Dolmetscher weiterhelfen? Das Kind hat keine Erinnerung mehr an die ursprüngliche Heimat und verbindet daher nur die Gerüche der Küche damit. „Mein Land kenne ich nur vom Riechen!“ Dass ihre Tante gerne mit Herren flirtet, findet sie ziemlich komisch, ebenso wie deren Besuche am Friedhof auf der Suche nach „Todesgründen“.

Das Kind fühlt sich schuldig am Tod seines geliebten Hundes. Dabei war es doch nur ein Unfall. Jetzt schleppt sie das tote Tier in einer Kühltasche mit sich herum, bis sich endlich jemand findet, der es für sie präpariert. „Wir dürfen nie wieder zurück!“ Dieser Satz der Mutter belastet das Kind schwer, ebenso wie deren Angst vor Spionen. Erschreckend die Einschätzung der westlichen Mentalität: „Warmes Wasser im Bad, doch ein Kühlschrank im Herzen.“

Matea Novak spielt diese kleinen Szenen mit enormer Ruhe und Gelassenheit. Nur kurz legt sie sich ein dickes Seil um den Hals. Das verheißt nichts Gutes und ist wohl ein Hinweis auf die psychischen Probleme, mit denen die Autorin zu kämpfen hatte.

Zum Finale setzt sich Arturas wieder ans Klavier und schickt uns mit erdigen Klängen auf den Heimweg. Ein kleiner, aber feiner Theaterabend mit großartigen Texten, emotionaler Musik und feinen Schauspielminiaturen.

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