Ein Künstlerhaus mit Weitblick

Haus Birkle – Gersbergweg 23  

Wer von der Terrasse des Wohn- und Atelierhaus Birkle Richtung Salzburg blickt, dem öffnet sich eine atemberaubende Bergkulisse. Untersberg, Staufen, Watzmann und Hoher Göll liegen einem von hier aus zu Füßen. Kein Wunder, dass die grandiose Aussicht sich in einigen der Bilder des gebürtigen Berliners Albert Birkle wiederfindet.

Christoph Koca

Von Christoph Koca
Austria Guide, Kunstspaziergang.com

Nachdem die Nationalsozialisten seine Arbeiten als „Entartete Kunst“ werteten, kehrte Birkle 1932 seiner Heimat den Rücken und wurde in Salzburg sesshaft, wo er mit seinem Bekannten, dem Bildhauer Josef Thorak, einen Fürsprecher hatte. Bekannt wurde der Maler Birkle, dessen expressionistisches Frühwerk an Otto Dix erinnert, u. a. für seine bunten Glasfenster. So schuf der streng gläubige Birkle Fenster für u.a. die Kirchen St. Blasius, St. Erentrudis, der Christuskirche sowie für den Grazer Dom.

Das Hanghaus auf dem Gaisberg (1933) war die erste Arbeit des damals 27-jährigen Architekten Otto Prossinger in Salzburg. In Abstimmung mit dem Ehepaar Birkle schuf Prossinger ein Haus, das ländliche Bauformen aufgreift, ohne sie zu kopieren. Traditionell wirkt das flache, 21° steile Satteldach, das ursprünglich mit Lärchenschindeln, mittlerweile mit einem optisch stimmigen und hochwertigen PVC-Belag gedeckt ist. Prossinger bediente sich bei dem mit einem mächtigen Strebebogen in den Hang fixierten Haus aus dem Formenrepertoire der bäuerlich, alpenländischen Baukultur, dies wird mit den fensterlosen Mauerpartien und dem Trogbrunnen an der Hauswand unterstrichen.

Die ungewöhnliche Platzierung der kleinen Fenster an der Westseite offenbart, dass es sich hier um ein „getarntes Bauernhaus“ handelt. Entscheidenden Einfluss auf die Gestaltung im Inneren hatte die Gattin des Künstlers, Else Birkle-Starosta. Der großzügige Atelierraum auf der Rückseite des Hauses, der sich durch das offene Gebälk auszeichnet und über ein riesiges Fenster verfügt, erinnert Norbert Mayr an eine Bauerntenne. „In der zweiten Hälfte der Zwanzigerjahre war in der österreichischen Architekturszene eine Entwicklung zu beobachten, die architektonisch engagierte Bauten auf dem Land durch ein subtiles Gleichgewicht zwischen Sachlichkeit und Traditionsbezug auszeichnete.“ (Mayr, Norbert. Haus Birkle in Salzburg – Ausdruck einer Malerpersönlichkeit. In: Schaffer, Nikolaus. Albert Birkle. Katalog zur Sonderausstellung im Salzburger Museum Carolino Augusteum. Salzburg. 2001. S. 151-152)

An der Eingangsseite des Hauses schuf Birkle einige Jahre nach der Erbauungszeit des Hauses eine Wandmalerei. Auf einem Pferd sitzend zeigt das Fresko den Heiligen Georg, ausgerüstet mit Schild und Lanze, wie er einen Drachen bezwingt. Der Kopf des Drachens erhielt bei Birkle eine krokodilartige Schnauze.

Stilistisch erinnert dieses Fresko an den „Auszug Barbarossas“, den Birkle 1940 unter dem Dachgiebel der Kaserne Glasenbach schuf, wo er als Wehrmachtssoldat stationiert war. Dort findet sich auch ein Freiheitkämpfer Birkles. „Um in die Fahne nicht das übliche Hakenkreuz malen zu müssen, platzierte er den Kopf des Freiheitskämpfers genau dort, wo normalerweise das Hoheitszeichen prangen sollte.“ (Salzburger Nachrichten, 9.3.1984. S. 5) 

Otto Prossinger wurde 1906 in Bosnien als Sohn eines Postamtsdirektors geboren, besuchte dort die Volksschule und kam nach dem Zusammenbruch der Monarchie nach Salzburg. Sein Architekturstudium absolvierte er in der Meisterklasse von Peter Behrens an der Akademie der Bildenden Künste in Wien. Zu seinen bekanntesten Werken zählt die Stahlterrasse des Café Tomaselli (1937), er war am Bau des Kongresshauses (1958) beteiligt und erhielt zusammen mit Felix Cevela beim Wiederaufbau der Wiener Staatsoper den Auftrag für die Neugestaltung des Marmorsaals. Das Salzburger Original Prossinger residierte in einer Wohnung am Residenzplatz, sein Atelier befand sich im St. Peter Bezirk. Erholung fand der Architekt bei Spaziergängen auf dem Mönchsberg. Prossinger engagierte sich beherzt um das Erbe Salzburgs, insbesondere lag ihm der Erhalt der anonymen Salzburger Bürgerhäuser am Herzen. Prossinger: „Ich will nicht irgendwo bauen. Ein Portal in der Sigmund-Haffner-Gasse bedeutet mir mehr, als ein Hotelbau am Arlberg.“ (Salzburger Nachrichten, 29.4.1981. S. 11)

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