In grauer Vorzeit schlachteten Priester Pessachtiere. Junge, einjährige Schafe und Ziegen. In den Nachkriegsjahren holte mein Vater gelegentlich eine gefiederte und lauthals gackernde Kreatur aus dem Hühnerstall. Als Kind war ich nie dabei, als er sie tötete, denn ich wollte seine Bluttat nicht mit ansehen. Damit war der Fall für ihn erledigt.
Von Reinhard Lackinger,
Pensionierter Beislwirt in Salvador, Bahia, Basilien
Anschließend widmete sich meine Mutter dem noch warmen Federvieh, rupfte es, weidete es aus, tranchierte es oder füllte es mit einer Masse aus Brot, Geflügelklein und Kräutern und schob es in das Backrohr des Küchenherdes.
Das halbe Huhn, das man uns Soldaten beim Bundesheer zu essen gab, war nicht nur halb roh, sondern auch übersät mit bläulichen Punkten, die von unzähligen, in der Geflügelhaut stecken gebliebenen Spitzen der Federkiele herrührten.
Dieses kulinarische Extra kann es aber nicht gewesen sein, das Arnold Schwarzenegger, der damals auch in der Belgier Kaserne Graz/Wetzelsdorf den Wehrdienst leistete, weltberühmt gemacht hat.
Nicht nur in Hollywood trieben in den letzten Jahrzehnten allerlei Terminators ihr Unwesen, sondern auch in Supermärkten. Außerhalb von Schwarzeneggers Terminator-Spielfilmen, die ich nur vom Hörensagen und von Wikipedia kenne, gelang es John Connor, einem Individuum aus Fleisch und Blut nicht, die Unterwerfung der Menschheit durch die Maschinen zu verhindern.
In urbanen Haushalten werden längst keine Tiere mehr geschlachtet. Weder Hühner, noch Enten, Wachteln, Gänse oder Hasen, wie noch vor siebzig Jahren. „Messer, Gabel, Schere, Licht, sind für moderne, bequeme und körperbehinderte Konsumenten nicht!”
Rinder-Schweine-und Geflügelfleisch in Steaks, Filets und sogar Gänsekeulen warten auf Styroportellern mit transparentem Überzug auf eilige Konsumenten. Obst, bereits geschält und gewürfelt, Gemüse in Julienne oder in Brunoise geschnitten, werden in feine Kunststofffolien eingeführt und in Kühlvitrinen zum Verkauf angeboten.
So nahmen Maschinen dem postmodernen Menschen die Freude an geschickten Handgriffen. Beim Bedienen einer Mikrowelle und eines Geschirrspülers kann auch ein zeitweilig alleingelassenes Kind nichts falsch machen. Bald wird auch der Abfall von Maschinen sortiert und in die Mülltonnen befördert.
Auf diese Weise bleibt den Mitbürgern mehr Zeit zum Nichtstun und für die neoliberale Gehirnwäsche vor dem Smart TV 65“ Fernsehapparat.
Mit künstlicher Intelligenz gefütterte Maschinen versuchen dem Menschen auch die Freude am Lesen zu nehmen.
Dabei beziehe ich mich nicht auf die Trivialliteratur, die weiterhin entsprechend gefördert wird, sondern auf Veröffentlichungen, von denen der Bücherfreund anfänglich nicht genau weiß, mit welchen Gedanken er konfrontiert wird.
Ich meine die systematische Verteufelung von Texten, die uns jenes Wohlbefinden bescheren, die kuriose, überraschende und treffende Äußerungen erwirken. Das unerwartete Vergnügen, mit der Autorin, mit dem Autor zu kommunizieren, als hätte man eine neue Freundschaft geschlossen.
Können die neuen Freundschaften und die künstliche Intimität, die uns Maschinen mittels Sozialen Medien wie Facebook und Whatsapp möglich machen und gnädigst erlauben, mit der natürlichen Kumpanei konkurrieren, die sich im Laufe der Reifejahre mit ehemaligen Schulkameraden, Jugendspezis und ersten Zechgenossen gebildet hat? Mit Spielgefährten, von denen wir alles, jede Begabung und jede Flause kennen?
Möglicherweise, aber seien wir auf der Hut, denn Maschinen letzter Generation, vorprogrammiert mit dem perfidesten Algorithmus und dümmsten AI-Zensor, versuchen unablässig und nicht nur am Ostermontag, Gleichgesinnte vom Weg abzubringen, der sie nach Emmaus führt.
Die Jünger sehen weiterhin euphorisch zu, wie ihr Wandergeselle das ungesäuerte Brot bricht. Mazzen! Aus demselben Grund kann nicht vom Zapfen eines Gösser Märzen die Rede sein.
Frohe Ostern 23!
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