Die Marktbühne Berchtesgaden zu Gast in Hallein
Wer brachte die Untreue in die Welt? Das weibliche oder das männliche Geschlecht? Diese Frage gipfelt üblicherweise in gegenseitigen Vorwürfen der Geschlechter, das jeweils andere sei das eigentlich unbeständige und untreue.
Der französische Autor Pierre Carlet de Chamblain de Marivaux (eine Ansammlung pseudo-adliger Namen, die er sich teilweise selbst zugelegt hat) hat dieses Frage in den Mittelpunkt seiner Komödie gestellt und schafft dort eine ungewöhnliche Ausgangssituation. Vier Säuglinge – zwei Jungen und zwei Mädchen – brachte man direkt nach ihrer Geburt in eine einsame Gegend am Rande der Zivilisation.
Dort wurde jedem der vier Kinder ein eigenes Gebiet zugewiesen, in dem es außer seinen alten Erziehern Zeit seines Lebens nie einen anderen Menschen gleichen Alters zu Gesicht bekommen hat. Nun, da sie sich allesamt zu schönen, jungen Erwachsenen entwickelt haben, werden sie freigelassen, dürfen sich begegnen und mal sehen, was sich in Sachen Liebe und Treue tut.
Diese Vorgeschichte erfahren wir von Jens, dem Erzieher, der von einem Versteck aus das Erwachen der ersten erotischen Gefühle beobachtet. Als Lisa ihr eigenes Spiegelbild in einem Teich erblickt, ist sie begeistert: „Ich bin nicht nur schön, ich bin bewundernswert.“ Es ist für sie also selbstverständlich, dass sich Noah unsterblich in sie verliebt. Doch als ein zweites Paar auftaucht, treten bald schon Rivalitäten zutage und die Eifersucht wird entdeckt.
Die jugendlichen Schauspieler genießen es sichtlich, ihren Gefühlen einmal so richtig freien Lauf lassen zu dürfen. Zwischen Charlotte Hente und Eva Weingärtler entbrennt ein „Zickenkrieg“ um die größere Schönheit und das Recht auf Bewunderung. Die Knaben hingegen messen weniger ihre Schönheit als ihre Kräfte und versuchen mit Imponiergehabe bei den Mädchen zu punkten. Besonders hübsch anzusehen und anzuhören ist Sonja Gruber, die an der Geige für die passenden Töne sorgt. Das junge Ensemble überzeugt mit Laientheater auf höchstem Niveau.
Hermann Krüttner und Martin Klocke haben diesen menschlich-humorvollen Reigen der widerstreitenden Gefühle und Unvernünftigkeiten als vergnügliches Liebes- und Eifersuchtsspiel in Szene gesetzt. Das vorwiegend jugendliche Publikum, eine Schulklasse aus Berchtesgaden füllte den Zuschauerraum bis auf den letzten Platz, hatte sichtlich Spaß an diesem durchaus aktuellen Spiel, denn „Männer werden Frauen nie verstehen. Und Frauen werden Männer nie verstehen. Und genau das werden Männer und Frauen nie verstehen.“ (Allan und Barbara Pease)
Weitere Vorstellungen: 16. und 17.12 2010, Ticketservice: www.bodiendsole.at
„Experiment – wie am ersten Tag“ – nach Pierre Carlet de Marivaux / Dramaturgie: Hermann Krüttner / Regie: Hermann Krüttner, Martin Klocke / Dramaturgische Beratung: Christa Hassfurther / Technische Beratung: Helfried Hassfurther / Mit: Mattes Kujath, Eva Weingärtler, Harry Schäfer, Charlotte Hente, Ludwig Stadler / Live-Musik: Sonja Gruber / Alle Fotos: Helfried Hassfurther
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