Wer am Samstagabend im Salzburger Landestheater saß, konnte eine „Fledermaus“-Premiere mit viel Phantasie und originellem Regiekonzept in gelungener Umsetzung erleben – ideenreich und schön fürs Auge, wobei gut gewählte Kostüme und ein beeindruckendes Bühnenbild eine wohl durchdachte Einheit bildeten.
Von Siegfried Steinkogler.
Viel zu tun gab es auch für das überzeugende Ballett, das in vielerlei Gestalten einzelne Episoden des Geschehens ausschmückte und viel zum Gelingen dieser Neuproduktion beisteuerte – sei es als freizügig gekleidete Haremsdamen, als Flugbegleiterinnen im Düsenjet oder als Straßenarbeiter mit Helm – stets folgten die TänzerInnen der kompetenten choreografischen Anordnung Peter Breuers.
Gleich viel wurde für das Ohr geboten: sowohl der Chor des Salzburger Landestheater unter der Leitung von Stefan Müller wie auch das Mozarteum Orchester unter der diesmal beschwingten Stabführung von Leo Hussain wurden ihrem Ruf als überzeugend agierende Klangkörper gerecht.
Die beliebte Operette des Walzerkönigs Johann Strauß aus dem Jahre 1874 erfuhr insofern eine Umgestaltung, als das Gartenfest beim Prinzen Orlofsky in eine europäische Flugmaschine mit Namen Fledermaus verlegt wird, auf welche Weise der Flug nach Dubai simuliert wird, in die Residenz des Scheichs (!) Orl Ofsky, dessen Abendgesellschaft sich als europäische Delegation in diplomatischer Mission versteht.
Die Handlung der „Fledermaus“ ist schnell skizziert:
Der Diplomat Gabriel von Eisenstein, den Damen auch außerhalb seiner Ehe nicht abhold, muss wegen Beleidigung eine kurze Arreststrafe verbüßen. Sein Freund und Kollege Dr. Falke wurde einst von ihm bei einem Karnevalsfest in einer Fledermaus-Verkleidung kläglich blamiert. Seither sinnt dieser auf Rache und nie war die Gelegenheit dazu günstiger als jetzt. Um Eisenstein das Antreten der Haft zu erleichtern, lädt er ihn zu einer Abendsoireé des Prinzen Orlofsky ein. Falke richtet es ein, dass auch Eisensteins Gattin Rosalinde und deren Dienstmädchen Adele, alle inkognito, zu dem Ball erscheinen, wobei seine Frau – so viel war voraus zu sehen – Zeuge seiner Untreue werden sollte.
Rosalinde wiederum nützt die Gelegenheit der Arreststrafe ihres Gemahls für ein Schäferstündchen mit ihrem Verehrer Alfredo. Dabei werden sie jedoch von Gefängnisdirektor Frank gestört, und um einen Skandal zu verhindern, muss sich Alfredo in Eisensteins Namen arretieren lassen.
Auf der Abendgesellschaft des Prinzen Orlofsky wird Falkes Plan in die Tat umgesetzt und Rosalinde gelingt es, ihren Gatten, der sie nicht erkannt hat, eine goldene Spieluhr abzunehmen, die dieser stets verwendet um Damen zu verführen. Adele wird als Fräulein Olga vorgestellt und möchte sich von Gefängnisdirektor Frank, der sich für einen Konzertdirektor ausgegeben hat, zur Künstlerin ausbilden lassen.
Wie schon gesagt wurde dieser 2. Akt zu einer Flugzeugszene umfunktioniert. Auch der Schlussakt, der gewöhnlich im Gefängnis spielt, wurde neu interpretiert: der betrunkene Gefängniswärter Frosch, einmal mehr dargestellt vom souveränen Werner Friedl, seilt sich per Fallschirm vom Flugzeug ab und gibt uns – wie es die Rolle vorsieht – seine Meinung zur aktuellen Lage der Nation bekannt, intellektuell und bissig zugleich. Ihm folgen Gefängnisdirektor Frank, noch schwer gezeichnet vom berauschenden Fest, weiters Adele, dann Eisenstein selbst, der seine Haftstrafe antreten möchte und im Gefängnis an seiner Statt Rosalindes Verehrer Alfredo antrifft. Als er seine Frau diesbezüglich zur Rede stellt, zeigt sie ihm die goldene Spieluhr vom Vorabend, womit es in puncto ehelicher Untreue 1:1 steht.
Die sängerischen und darstellerischen Leistungen waren insgesamt überzeugend. Die Stärken der weiblichen Hauptrollen lagen eindeutig in den gefühlvollen Passagen. So verliehen Netta Or als Rosalinde wie auch Katharina Bergrath (Adele) dem Stück phasenweise eine opernartige Seriosität, die diesem in anderen Inszenierungen fehlt. Mezzosopranistin Tamara Gura gleicht diesen Ernst mit der komischen Hosenrolle des „Scheich Orl Ofsky“ wieder aus. Simon Schnorr als Eisenstein und Einar Gudmundsson als Gefängnisdirektor Frank ernteten viel wohlverdienten Applaus. Franz Supper als heimlicher Liebhaber Alfredo wusste seiner Rolle eine Überzeugungskraft von nachhaltiger Wirkung zu geben.
Insgesamt darf die neue Salzburger Fledermaus eine spannende Produktion genannt werden, der man den Erfolg wünscht, den sie verdient.
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Toll geschriebene Kritik !