Autor: Helena Adler
Titel: Die Infantin trägt den Scheitel links
Verlag: Jung und Jung Verlag; Auflage: 1 (28. Februar 2020)
ISBN/EAN: 978-3-9902724-2-8
Klappentext
Dass sie, die jüngste Tochter, das zarte Kind, den Bauernhof ihrer Eltern abfackelt, ist nicht nur ein Versehen, es ist auch Notwehr. Ein Akt der Selbstbehauptung gegen die Zumutungen des Heranwachsens unter dem Regime der Eltern, einer frömmelnden, bigotten Mutter und eines Vaters mit einem fatalen Hang zu Alkohol, Pyrotechnik und Esoterik.
Von den älteren Zwillingsschwestern nicht zu reden, zwei Eisprinzessinnen, die einem bösen Märchen entsprungen sind und ihr, der Infantin in Stallstiefeln, übel mitspielen, wo sie nur können. Und natürlich fehlen auch Jäger, Pfarrer und Bürgermeister nicht in dieser Heuboden- und Heimatidylle, die in den schönsten Höllenfarben gemalt ist und in der es so handfest und herzhaft zugeht wie lange nicht.
Dieses Buch ist ein Fanal, ein Feuerwerk nach dem Jüngsten Gericht unter dem Watschenbaum. Es erzählt von Dingen, als gingen sie auf keine Kuhhaut. Schrill, derb, ungeschminkt, rotzfrech und hart wie das Landleben nach dem Zeltfest und vor der Morgenmesse. Eine sehr ernste Angelegenheit, ein sehr großer Spaß!
Rezension von Peter Reutterer
Die schönste Literatur erwächst aus der Wirklichkeit
Eine neue Generation ambitioniert Schreibender erobert derzeit die Literaturszene Österreichs. Helena Adler, Birgit Birnbacher, Anna Herzig, Regine Koth Afzelius oder auch Martin Peichl haben bemerkenswerte Romane vorgelegt. In vorderster Reihe hat sich dabei wohl Helena Adler mit ihrem Debut „Die Infantin“ (erschienen bei Jung und Jung) positioniert.
So farbenprächtig wie die Hügel des Flachgaus leuchten ihre Sätze und verweben sich zu einer sprachgewaltigen, mehr oder weniger biographischen Erzählung.
„Wir essen schwarze Regensuppe zum Nachtmahl. Der grüne Kachelofen brütet in der Ecke, in der Stube dampft es, doch mir ist kalt.“ So beginnt der fulminante Text und nimmt den Leser gleich mitten hinein in diese Bauernfamilie, in der die Infantin ihre Kinder- und Jugendjahre zu durchleben hat. Dennoch läge man falsch, wollte man das mit einer spontan erzählten Lebensgeschichte verwechseln, was Helena Adler in diesem Buch vorgelegt hat. Sie selbst deutet die Hintergründigkeit der Gestaltung mit dem vorangestellten Satz an: „Nehmen Sie ein Gemälde von Pieter Bruegel. Nun animieren sie es.“ Dieser so wunderbar dahinsprudelnde Text ist also trotz aller Spontaneität als artifizielles Gebilde angelegt und zu verstehen. Die Welt auf einem Flachgauer Bauernhof in all seiner Intensität, Brutalität, Kuriosität als phantastisches Gemälde. Brutal, wie die Geschwister miteinander verfahren, naturgemäß die Gewalt, die den Tieren in der bäuerlichen Welt widerfährt. Dazu kommt noch das Aufeinander-Prallen verschiedener Generationen: Die bäuerliche Tradition der Urgroßeltern und Großeltern trifft auf die alternativen Lebensentwürfe der Eltern und deren Kinder. Besonders die Infantin, die Ich-Erzählerin, gilt bald mit ihren künstlerischen Neigungen im Dorf als „Satansbrut“. Doch irgendwie schafft sie es, als ursprünglich schwächstes Glied in dieser archaischen Bauernwelt sich zu wehren, nicht zuletzt dank ihrer kraftvollen Phantasie und der daraus entspringenden mentalen Helfer.
Das Leben „dampft“, es macht Angst und verlockt. Überbordende Sinnlichkeit, alles leuchtet, riecht, tönt, ist fühlbar. Von Anfang an ist der Tod präsent, wenn der geliebte Urgroßvater gehen muss, ohne Venedig gesehen zu haben. Ebenso blitzt von Beginn an verborgene Lust aus allen Ecken. Verlust und Lust setzen sich während der Jugendzeit fort, es geht heftig zur Sache, u.a. mit dem Drogentod „eines Mädchens aus unserem kranken Kollektiv“ oder mit der Geschichte über die Schwarze Anna, „die sich für die Schweinereien der Nacht schämt“. Schließlich spannt sich der Erzählbogen im letzten Teil bis zum Verlust des so ambivalenten bäuerlichen Paradieses und zum Schmerz über die endgültige Vertreibung aus dem heimatlichen Gehöft. Ganz am Ende versöhnliche Töne, als die Infantin selbst Mutter wird und sich mit der eigenen Mutter ausspricht.
Mit „Die Infantin“ schlägt Helena Adler ein neues Kapitel der in Österreich so gut entwickelten neueren „Provinzliteratur“ auf und bereichert das Genre: Sie setzt fort, was Franz Innerhofer oder Josef Winkler beeindruckend grundgelegt haben und erweitert diese Gattung mit einem sehr individuellen, sowohl bild- als auch klanggewaltigen literarischen Ton, der von einem analytischen Blick begleitet wird. Dafür könnte von jeder Seite dieses berückenden Buches einen Beleg angeführt werden. Im Schlussteil des Bruegel-Panoramas heißt es z.B.: „In der Bauernstube ächzen Verwaiste. Der Besorgte kümmert sich um den Geschundenen. Und der Geschundene um die Geschändeten…Der Blinde erzählt dem Verstummten und der Verstummte findet Besänftigung im geschriebenen Wort.“ Poesie, aus erlebter Wirklichkeit geschöpft, ein Gewebe aus Worten und Sätzen, das vom Anfang bis zum Schluss in seinen Bann zieht. Nicht nur der Autorin, auch der österreichischen Literatur darf zu dieser kraftvollen Neuerscheinung gratuliert werden.
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