Jacqueline O´Mahony: Sing, wilder Vogel, sing

Jacqueline O´Mahony

Jacqueline O´Mahony | Foto: Diogenes © Nick Gregan

Jacqueline O´Mahony

Autorin: Jacqueline O´Mahony
Titel: Sing, wilder Vogel, sing
Aus dem irischen Englisch: Pociao & Roberto de Hollanda
ISBN: 978-3-25707309-6
Verlag: Diogenes Verlag
Erschienen: 25.09.2024

Klappentext:

Die junge Honora war schon immer eine Außenseiterin in ihrem Dorf an der irischen Westküste. Es ist das Jahr 1849. Als die Hungersnot ihre Gemeinschaft mit brutaler Wucht trifft, schöpft sie genau aus ihrem Anderssein die Kraft zu überleben. Nachdem sie alles verloren hat, bricht sie auf nach Amerika, in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Honora gibt nicht auf, ehe sie ihre Freiheit findet – und jemanden, der sie als das erkennt, was sie ist.

Anni Lemberger

Rezension von Anni Lemberger

Die Iren glauben, dass ein Rotkehlchen im Haus den Tod bringt. Als Honora im 19. Jahrhundert in Irland geboren wird, fliegt ein Rotkehlchen durch die offene Tür ins Haus. Deshalb gilt Honora als verflucht, ist ein „piseog“, mit dem niemand etwas zu tun haben will. Der Fluch scheint bestätigt zu sein, weil Honoras Mutter kurz nach ihrer Geburt stirbt.

Im Jahr 1849, als Honora bereits eine junge Frau ist, wird die Insel von einer schrecklichen Hungersnot heimgesucht. Deshalb macht sich eine hungernde Gruppe Menschen aus Doolough, unter ihnen auch Honora mit ihrem Ehemann, auf den Weg, um Hilfe zu bekommen. Schwer angeschlagen und mehrmals dem Tod entkommen, kehrt Honora als einzige Überlebende von diesem Marsch zurück.

Nachdem die junge Frau alles verloren hat, macht sie sich auf den Weg zum Hafen, um von dort nach Amerika zu gelangen.

Ihren Traum von endloser Freiheit auf dem fernen Kontinent muss sie sich jedoch bitter und unter Lebensgefahr erkämpfen.

Ein wunderbarer, aber erschütternder Roman über eine starke Frau, die für ihre Freiheit alles auf eine Karte setzt.

Der Hintergrund dieser Erzählung ist die „Tragödie von Doolough“, bei der Hunderte Menschen 1849 in Irland den Tod fanden. Die Hungersnot – ausgelöst durch einen Pilz, der bei ihrem Grundnahrungsmittel, der Kartoffel, über Jahre zu massiven Ernteausfällen führte – wurde durch die englische Landnahme noch verschärft.

Die Protagonistin Honora ist fiktiv – die Autorin erzählt eine Geschichte, wie sie vor dem Hintergrund der Hungersnot hätte sein können.

Honora ist eine Außenseiterin: Zum einen musste sie ohne Mutter aufwachsen, zum anderen gilt sie als „verflucht“. Doch diese besondere gesellschaftliche Position macht sie stark und kämpferisch. Sie träumt von der Freiheit in Amerika und gerät zuerst in völlige Abhängigkeit, der sie mit wilder Entschlossenheit entgegentritt. Die junge Frau, die selbst sehr hilfsbereit ist, muss bitteren Verrat erfahren. Sie trifft jedoch auch auf Menschen, die es gut mit ihr meinen.

Die Zuweisung von Land für neu angekommene Siedler sieht die Protagonistin sehr skeptisch, da sie feststellt, dass die indigene Bevölkerung dafür enteignet wird. Sie erkennt Parallelen zu ihrer irischen Heimat, in der die Engländer das Land besetzt halten.

Auch wenn die Geschichte von Honora fiktiv ist, steht sie doch stellvertretend für viele irische Einwanderinnen in Amerika, die tatsächlich Ähnliches durchmachen mussten.

Das Cover des Buches ist mit einem Gemälde von Anne-Sophie Tschiegg versehen, das eine ausdrucksstarke Frau zeigt.

Die Einleitung macht neugierig, da sie bereits der nachfolgenden Handlung vorgreift. Der Text ist flüssig lesbar und schlüssig verfasst. Die Nachvollziehbarkeit der Hungersnot fällt mir in einer Zeit des Überflusses schwer, da mir glücklicherweise diese Form der Nahrungsmittelknappheit unbekannt ist.

Am Ende wechselt die Handlung noch einmal die Richtung; die Autorin deutet nur den möglichen Weg an und lässt den Ausgang offen.

Ein sehr eindrucksvolles Buch, das neben einer fiktiven Erzählung auch wissenswerte historische Gegebenheiten vermittelt – und in Zeiten zunehmender Umweltveränderungen auch Fakten enthält, die zum Nachdenken anregen.


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