Jeremias Gotthelf: Die Käserei in der Vehfreude

Jeremias Gotthelf

Jeremias Gotthelf | ©Archiv Diogenes Verlag

Jeremias Gotthelf: Die Käserei in der Vehfreude

Autor: Jeremias Gotthelf
Titel: Die Käserei in der Vehfreude – Roman
Herausgeber: Philipp Theisohn
ISBN: 978-3-257-07303-4
Verlag: Diogenes Verlag
Erschienen: November 2024

Klappentext:

Ein Schulhaus für den Lehrer wollen sie nicht finanzieren, die Bauern in der Vehfreude, wohl aber eine Käserei, denn das bedeutet Wohlstand und Fortschritt für alle.

Eine Käsegenossenschaft wird gegründet und ein tüchtiger Senn gewählt, der fortan über die Milchwirtschaft des Dorfes wacht. So kommt der Kapitalismus übers Emmental – doch mit dem erwarteten Profit ist das so eine Sache …

Anni Lemberger

Rezension von Anni Lemberger

Die Vehfreuder Kuhhalter mögen den Schulmeister nicht. Deshalb ziehen die Bauern in der abgelegenen Schweizer Vehfreude den Bau einer Käserei dem von der Regierung angeordneten Bau einer Schule vor. Auch wenn danach in vielen Bauernstuben der Hausfrieden gestört ist, müssen die Frauen das Milchgeld opfern.

In Vehfreude herrscht ein erbitterter Wettkampf um die besten Kühe. Immer mehr Bauern beginnen, ihre Milch zu wässern, um die Liefermengen zu erhöhen. Das Ergebnis ist minderwertiger Käse, der dem erhofften Reichtum nicht gerecht wird.

Doch die Menschen im 19. Jahrhundert unterscheiden sich wenig von denen heute: Neid, Missgunst, Unehrlichkeit und Bigotterie prägen das Dorfleben. Der erhoffte Wohlstand, für den die Vehfreuder die Bildung der Jugend opfern, bleibt aus. Ein Lichtblick ist jedoch die Käserei, die den Ammannsohn Felix mit dem Ausding-Meitschi Ännelie zusammengebracht hat.

Der Autor Jeremias Gotthelf war ein Kenner der damaligen Bauernwelt. In blumiger Sprache beschreibt er karge Böden, hungernde Kühe, hart verdiente Kreuzer und eine bigotte, misstrauische Dorfgemeinschaft. Mit sarkastischem Humor dichtet er den Männern naive Dummheit und den Frauen ein großes Mundwerk an.

Zwei Paare stehen im Mittelpunkt: Peterli und Eisi, die alles verlieren, und Bethi und Sepp, die trotz Anfeindungen durch harte Arbeit ihre Schulden abbauen. Gotthelf zeigt klar die Klassengesellschaft am Land, in der das Gesinde stets benachteiligt wird. Besonders deutlich wird dies am Senn, dessen Warnungen über die schlechte Milchqualität ignoriert werden.

Diese minimal adaptierte Neuausgabe bleibt dem Original treu. Allerdings ist die Sprache für Nichtschweizer eine Herausforderung. Ein Glossar hilft, doch einige Begriffe bleiben unklar, insbesondere Reden in Schwyzerdütsch.

Ein großer Kritikpunkt ist der offen gezeigte Antisemitismus des Autors, der vom Herausgeber Philipp Theisohn im Nachwort thematisiert wird. Diese Passagen wurden nicht entfernt, um die Authentizität des Werkes zu bewahren. Sie dienen als Mahnung, aus der Vergangenheit zu lernen.

Ein herausforderndes, aber faszinierendes Buch für Lesende, die sich auf historische Literatur einlassen möchten.


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Dorfladen

1 Kommentar zu "Jeremias Gotthelf: Die Käserei in der Vehfreude"

  1. Heinrich Frei Heinrich Frei | 15. Januar 2025 um 15:23 |

    Die Werke von Jeremias Gotthelf wurden vor bald 70 Jahren in der Schweiz durch die Hörspiele des Schweizer Radios bekannt. Der Autor der Hörspiele war der Berner Lehrer und Schriftsteller Ernst Balzli (1902 – 1959). Seine Dialekt Hörspiele halfen mit, dass eine ganze Generation die Werke Jeremias Gotthelfs kennenlernte. Alt und Jung verfolgten damals Woche für Woche am Radio diese Hörspiele: «Wie Anne Bäbi Jowäger haushaltet und wie es ihm mit dem Doktern geht», «Die Leiden und Freuden eines Schulmeisters», «Uli der Knecht»
    Die Tochter von Ernst Balzli erzählte mir, ihr Vater sei sehr verletzt worden als ein hochangesehener Literaturprofessor der Universität Zürich seine Hörspiele hart kritisierte.
    Ein Meisterwerk von Jeremias Gotthelf ist die Novelle aus dem Jahr 1842 «Die schwarze Spinne».

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