
Autorin: Marica Bodrožić
Titel: Das Herzflorett
Verlag: Luchterhand Literaturverlag
ISBN-10: 3630876609
ISBN-13: 978-3630876603
Erschienen: 11. September 2024
Klappentext:
Pepsi liebt das Leben und den flimmernden Schlaf des Sommers. Ihre Eltern arbeiten in Hessen und tauchen nur in den Sommerferien auf dem einsamen Hof des Großvaters in Dalmatien auf. Zeitweise kommt sie auch bei anderen Verwandten unter, doch wo immer sie ist, bleibt sie fremd. Nur in der Natur fühlt sie sich aufgehoben, verbringt, fasziniert von der Sprache der Vögel am Himmel, ihre Tage barfuß im Gras. Als die Eltern sie zu ihren Geschwistern in die Einzimmerwohnung in einem Dorf im Taunus holen, will Pepsi sofort wieder weg. Die vom Putzen rissigen Hände der Mutter sind zu keiner Zärtlichkeit fähig. Der Vater beginnt seine Tage mit Schnaps. Das neue Leben hält aber zugleich Dinge bereit, zu denen das Mädchen sich wie magnetisch hingezogen fühlt. Die Welt der Bücher und Buchstaben, die deutsche Sprache, in die sie sich so plötzlich und heftig verliebt wie später in Aleksandar. Doch als sie Abitur machen und studieren will, wird ihr das verboten, weil sie kein Junge ist. Es ist wie ein Stich ins Herz, ein Abschied – und zugleich ein Neubeginn.

Von Peter Reutterer
Autor, Musiker und Kulturvermittler
Henndorf, Flachgau, Salzburg
Gern an ihrer Seite
Warum erfüllt mich augenblicklich Freude, wenn ich ein neues Buch von Marica Bodrožić aufschlage: Ihr Erzählen hat sich dem Leben an sich und der Entwicklung des Individuums durch Bildung verschrieben. Obwohl wie viel Neuerschienenes autofiktional, fügt sich dieser Roman nicht in die gängige Tristesse vieler Lebensrückblicke ein. „Das Herzflorett“ fühlt sich wie eine beglückende Wanderung an, gern an der Seite von Marica Bodrožić und ihrer Pepsi.
Ich würde diesem Buch, dieser Autorin wünschen, dass sie einen neuen Trend begründen, gerade in Zeiten zunehmender politischer wie kultureller Primitivität. Es wäre eine Renaissance humanistischer und biophiler Literatur. „Das Herzflorett“ erzählt von Pepsi, einem Mädchen, das in ihrer frühen Kindheit auf dem Hof ihres Großvaters die Schönheiten Dalmatiens erfährt, dann aber zu lieblosen Verwandten abgeschoben wird, zuletzt in der Einzimmerwohnung der sich abrackernden Eltern im Taunus landet. Die Hände der Mutter blutig vom Putzen, der Vater bereits Alkoholiker und rücksichtslos gewalttätig.
Dass die Protagonistin Pepsi nicht aufgibt und beharrlich weiter ihren Bildungsweg verfolgt, hat mit innerer Bestimmung zu tun. „Im Herzen eines Menschen ruht der Anfang und das Ende aller Dinge.“ Naturverbundenheit gibt ihr Halt, Pepsi ist fasziniert von den Grashalmen im Süden, vor allem aber von der Sprache der Vögel. Das Mädchen vertraut ihrem inneren „Lichtkarussell“, spürt die eigene Seele, fühlt sich zu einem freien und liebevollen Leben berufen. Dabei gibt die Autorin mitunter recht konkrete Anleitungen zur menschlichen Entfaltung, z.B. dass Schweigen nötig sei, um in der Fülle unseres Daseins anzukommen. Der Weg der Selbstfindung führt bei Pepsi aber vor allem über sprachliche Entwicklung und Lesen. Wörter – kurioser Weise oft einfach aus einem Lexikon – führen zum „warmen Stoff des Lebens“. Mittels Wörter und der damit verbundenen Möglichkeit zu analysieren gelingt es Pepsi die gefühlskalte Lebensfeindlichkeit der elterlichen Maßstäbe und Traditionen abzulehnen. So wie sie gerne Fechtkämpfe ansieht, ist sie bereit, aus ihrer Herzensstärke für das Schöne und Zärtliche zu kämpfen. Bücher und Literatur als Florett gegen alles Lebensverachtende, vielfältig, bewegend und ausdauernd. Bodrožić Schreiben bedient sich mutig und treffsicher eines aus der Mode geratenen Vokabulars für psychisch Positives, wie „Seele“, „Herz“, „Entwicklung“, „Berufung“, „Stille“, „Licht“, „Schönheit“ usw…
Bevor Pepsi es zuletzt wagt, tatsächlich das elterliche Fachwerkhaus mit all der dort beheimateten Knechtung zu verlassen, dringt noch der Jugoslawienkrieg bis nach Deutschland vor. Er treibt einen Keil zwischen serbische und kroatische Angehörige. Die Jugendlichen versuchen die neuen Feindschaften zu ignorieren, werden aber in die nicht zuletzt von den Kirchen forcierten Kriegstreibereien hineingedrängt. Innerhalb dieser Geschehnisse ist es für die Protagonistin wichtig, dass sie der Vergewaltigung durch einen serbischen Cousin entkommen kann. Dies gelingt nur durch entschlossene körperliche Gegenwehr, die den Angreifer verletzt. Das Mädchen aus Dalmatien steht ab da auf eigenen Füßen, zudem macht sie eine Buchhandelslehre finanziell unabhängig. Nun ist das Leben „richtig“ und ohne Druck.
Stilistisch brillant schreibt Marica Bodrožić ein Buch für die Menschen. Man fühlt sich von der Eleganz und der Klarheit ihres Erzählens umarmt. Vor allem aber ermutigt es einen, in einer Epoche, in der sich viele Politiker nicht mehr schämen, junge Männer ewig gestrig für nationale Kriege abschlachten zu lassen, für Frieden und menschliche Entfaltung einzutreten. Pepsi und ihre Schwester Herzmandel verstehen nicht ihre Cousins, die in den Krieg im Süden eintreten, um für Leute, die im „Gestern der Geschichte“ leben, zu kämpfen. Die exzellente Literatur von Bodrozic ist in ihrer humanen wie auch politischen Dimension ein Leuchtturm für Menschen guten Willens.

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