Ein hohes Drahtgitter spannt sich über die gesamte Rampenläng der Bühne. Im Laufe des Abends wird sich zeigen, dass die Menschen außerhalb des Gitters ebenso gefangen sind wie diejenigen innerhalb des Maschendrahtes.
Von Ulrike Guggenberger
Szenen aus der Tiefe
Im Bühnenraum herrscht Dunkelheit. Gitarrenklänge scheinen wie magisch Personen anzulocken. …
Ein hohes Drahtgitter spannt sich über die gesamte Rampenläng der Bühne. Im Laufe des Abends wird sich zeigen, dass die Menschen außerhalb des Gitters ebenso gefangen sind wie diejenigen innerhalb des Maschendrahtes.
Im Bühnenraum herrscht Dunkelheit. Gitarrenklänge scheinen wie magisch Personen anzulocken, die aus dem Verborgenen auftauchen, einer nach dem anderen, sie formen sich zu einem pantomimischen Menschenknäuel, werden gleichsam auf die nun durch einzelne Lichtkegel erleuchtete Bühne ausgespuckt. Ein erstes symbolistisches Bild.
Im Nirgendwo und Überall hausen aus der Gesellschaft Ausgestoßene, Gestrandete, aus welchen Gründen auch immer.
Migranten und Migrantinnen aller Herren Länder, eine junge Prostituierte, die der romantischen Liebesliteratur verfallen ist, ein blutsaugerischer Vermieter und seine korrupte Frau, ein junger Mann, der zu Hoffnungen Anlass gibt, ein versoffener Dichter, Sandler und Gelegenheitsdiebe, eine Schwerkranke und ihr hilfloser Ehemann, ein abgestumpfter Hüter des Gesetzes auch. Sie alle sammeln sich und hausen an diesem Schattenreich der Gegenwelt, zu schwach, um sich jemals aus eigener Kraft zu befreien. Eine dichte Abfolge starker, authentischer, Bilder.
Milieu, Inhalte und Typen des Maxim Gorki-Stückes „Nachtasyl“ haben sich bis in die Gegenwart, trotz aufgeklärtem Sozialstaat, nicht wesentlich verändert. Das ist der wunde Punkt, an dem Regisseur Reinhold Tritscher ansetzt. Er lädt Menschen aus der Salzburger Off-Szene ein, gemeinsam mit ihm und wenigen Berufsschauspielern ihre persönlichen, eigenen Lebensumstände auf der Bühne, im eigentlichen Sinne des Wortes, zu mimen. Es zeigt sich, dass das authentische Spiel bewegte Bilder hervorbringt, die einen symbolistischen, surrealen Charakter annehmen.
Tritscher siedelt das Gorki-Stück im Jetzt und vor Ort an. Ein risikoreiches, mutiges, arbeitsintensives Unternehmen. Tritscher fordert seit Jahren mit vergleichbaren, im Leben selbst angesiedelten Projekten Gesellschaft und staatliche Fürsorge heraus. Beharrlich schafft er es, immer wieder Randgruppen der Gesellschaft (für eine gewisse Zeit) in die Mitte zu rücken.
Seine wirksame Therapie liegt aber nicht allein im Bewusstmachungsprozess, es liegt im Zulassen können, im Herausfordern von Fähigkeiten, die vorhanden sind und brach liegen.
„Talent, ist der Glaube an sich selbst“, sagt der versumpfende Dichter einmal an diesem Abend.
Mit „Nachtasyl“ nach dem Drama von Maxim Gorki gibt es eine integrative und interkulturelle Aufführungsserie als Beitrag zum EU Jahr des interkulturellen Dialogs. ProfischauspielerInnen, MusikerInnen und Amateure, jugendliche Flüchtlinge, in Salzburg lebende MigrantInnen, Mitglieder der „Blauen Hunde“ und der LAUBE Theaterwerkstatt aus mehr als 10 Nationen bringen Gorkis „Szenen aus der Tiefe“ einer nicht näher bezeichneten Provinzstadt“ in zeitgemäße Form.
Theater ECCE
Maxim Gorki: Nachtasyl | THEATER ECCE SALZBURG –
PREMIERE: 24. SEPTMBER 2008 | REGIE: REINHARD TRITSCHER | Fotos: Theater ECCE Pressetext
Views: 1
Kommentar hinterlassen zu "Nachtasyl. Das Theater ECCE im Lehrbauhof in Salzburg."