Nathan der Weise

Nathan der Weise

Ein Hoch der Ringparabel

Gotthold Ephraim Lessings 1783 in Berlin uraufgeführtes Ideendrama, ein Klassiker der deutschsprachigen Literatur, ist ein Meisterwerk der Aufklärung. Ein Blick auf die derzeitige Lage im Nahen Osten weist auf die enorme Bedeutung von Toleranz und Vernunft für ein friedvolles Zusammenleben hin. Jérôme Junod inszeniert im Schauspielhaus Salzburg eine verknappte Version, zutiefst menschlich und mit viel Humor. Kräftiger Applaus für ein Familiendrama von brennender Aktualität bei der Premiere am 19. September 2024.

Elisabeth Pichler

Von Elisabeth Pichler

Der reiche jüdische Kaufmann Nathan kehrt nach einer langen Geschäftsreise nach Jerusalem zurück. Hier herrscht helle Aufregung, wäre doch seine Tochter Recha bei einem Brand fast zu Tode gekommen. Ein vom Sultan begnadigter junger Tempelherr konnte sie jedoch im letzten Moment aus den Flammen retten. Für Recha ist dieser stramme junge Mann daher ein „wirklicher Engel“, die Religion spielt bei ihr da keine Rolle. Der Tempelherr ist anfangs aber schwer verunsichert, hat er doch „ein Judenmädchen“ aus dem Feuer gerettet. Nathan und der Tempelherr schließen relativ schnell Freundschaft. Dass dieser nun seine Recha heiraten will, geht dann aber doch etwas zu weit.

Sultan Saladin ist in Geldnöten. Seine Schwester rät ihm, sich an Nathan zu wenden. Bei dem Treffen geht es aber vorerst nicht um Geld, sondern um Religion. Mit der berühmten Ringparabel gibt Nathan zu verstehen, dass alle drei Weltreligionen gleichwertig sind. Der Name des Tempelherrn Curd von Stauffen weckt in Nathan schlimme Erinnerung. Seine Nachforschungen führen schließlich dazu, dass zur Überraschung aller die etwas verwirrenden Verwandtschaftsverhältnisse geklärt werden. Das muss natürlich gefeiert werden.

Bis auf den weisen, gütigen Nathan (großartig Olaf Salzer) haben in dem Stück alle ihre kleinen Macken. Als äußerst wandlungsfähig erweist sich Marvin Rehbock als Tempelherr. Dem anfangs steifen Krieger verleihen Rezas Reize schließlich glasige Augen. Julia Rajsp himmelt ihn in dieser Rolle als quirliger Teenie an. Ihre Gesellschaftsdame Daja (Sophia Fischbacher) unterstützt das junge Glück nach Kräften.

Der fanatische Patriarch versteckt sich hinter kreisenden Neonröhren, sein frommer Klosterbruder (Enrico Riethmüller) fegt die Räume und nutzt diese profane Beschäftigung für Selbstgeißelungen. Saladin (Benjamin Muth) spielt gerne mit seiner Schwester Sittah (Kerstin Maus) Schach, obwohl er ständig verliert. Sein Derwisch Al-Hafi (Rene Eichinger) wirbelt als clownesker Derwisch über die Bühne.

Nathan der Weise

Zum Finale wird ordentlich abgeshaked, die neuen familiären Verstrickungen müssen gefeiert werden. Agnes Hamvas (Ausstattung) hat ein klares, sehr elegantes Bühnenbild mit einem bunten Sofa entworfen. Die großen, schwarzen und weißen Schachfiguren werden gerne als Requisiten eingesetzt. Marcel Busá sorgt für orientalische Lichtverhältnisse.

Wer „Nathan der Weise“ noch als trockene Schullektüre in Erinnerung hat, wird angenehm überrascht sein, denn Regisseur Jérôme Junod hat in dieser Inszenierung die menschlichen Schwächen in den Mittelpunkt gestellt. Das erleichtert das Verständnis für die fast märchenhafte, tragisch-komische Geschichte.

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