Im Vorwort zu seiner Legende vom Ozeanpianisten (einer rund 80 Seiten kurzen Erzählung) macht der italienische Bestsellerautor Alessandro Baricco darauf aufmerksam, dass er den Text 1994 für einen Schauspieler und einen Regisseur geschrieben hat, aus dem die beiden ein Schauspiel gemacht haben, das im selben Jahr auf dem Festival von Asti Premiere hatte.
„Ich weiß nicht, ob das ausreicht, um zu behaupten, ich hätte ein Theaterstück geschrieben, ich habe da meine Zweifel“. So enthält das Buch neben einem poetischen Text auch genaue Regieanweisungen, die sich oft auf die Musik beziehen, die bei der Aufführung im Hintergrund gespielt werden soll.
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An Bord eines Dampfers, der Emigranten aus Europa in die USA bringt, wird ein Säugling in einer Zitronenkiste auf einem Klavier zurückgelassen, was prägend für sein weiteres Leben werden soll. Ein Maschinist des Schiffes findet ihn, nimmt sich seiner an und gibt ihm nach seinem Geburtsjahr den Namen Novecento – Neunzehnhundert . Nach dessen Tod versteckt er sich aus Angst, den Behörden ausgeliefert zu werden, doch plötzlich taucht er wieder auf: am Klavier im Ballsaal, und er spielt, wie man es noch nie gehört hat.
Er unterhält aber nicht nur die Passagiere der ersten Klasse, nachts geht er hinunter in die dritte Klasse, hier spielt er seine Musik, die die Menschen zu Tränen rührt, Musik, die es eigentlich gar nicht gibt, denn hier kann er spielen, was er will.
Ein einziges Mal versucht er, das Schiff zu verlassen, gesteht ganz am Ende seinem Freund dem Trompeter, warum er nicht an Land gegangen ist: „Nicht das, was ich sah, hielt mich zurück, sondern das, was ich nicht sah.“
Als das Schiff schließlich, als Lazarettschiff während des Krieges völlig heruntergewirtschaftet, gesprengt werden soll, bleibt der Ozeanpianist dennoch an Bord und wird somit endgültig zur Legende.
In der Inszenierung von Christoph Batscheider wird aus dem Trompeter ein Klarinettist. Hansi Anzenberger entlockt seinem Instrument die Klänge einer Schiffssirene, während er langsam die minimalistisch gestaltete kleine Bühne, auf der ein riesiges weißes Papierboot auf einem blauen Plastikmeer schwimmt, betritt.
Er, der einzig wirkliche Freund Novecentos, erzählt nun dem Publikum die Geschichte bzw. Legende des Ozeanpianisten, eines tragischen musikalischen Genies, immer wieder mit passender Musik aus seiner Klarinette untermalt.
Der 60-minütige Monolog beschert einen poetisch phantasievollen Theaterabend, der wunderbar in das stimmungsvolle Ambiente des Foyers passt.
ALESSANDRO BARICCO – NOVECENTO – DIE LEGENDE VOM OCEANPIANISTEN / SCHAUSPIELHAUS SALZBURG – PREMIERE: 4. OKTOBER 2008 / MIT: HANSI ANZENBERGER / REGIE: CHRISTOPH BATSCHEIDER / FOTOS: PAUL PLOBERGER SCHAUSPIELHAUS
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Novecento ist ein literarischer Leckerbissen der vom Schauspielhaus perfekt serviert wurde! Gratulation an das Team, allen voran Hansi Anzenberger und Christoph Batscheider.
Ganz besonders freut mich auch, daß die Dorfzeitung dem Salzburger Theatergeschehen derart viel Platz einräumt. Ich freue mich schon auf die nächsten Kritiken von Nina Groß, Ulrike Guggenberger, Elisabeth Pichler und Karl Traintinger. Es wäre schön, auch wieder einmal etwas von Michaela Essler zu lesen!