Reinhard Lackinger
Wer ist
denn nicht für den Frieden?
Pax vobiscum! Auch in lebenden Sprachen wünschen Menschen
einander weiterhin Frieden. Aber was will damit gesagt sein?
Was verstehen wir unter dem Begriff: „Frieden“? Bedeutet er
für alle Erdbewohner ein und das selbe?
Als wir in den 90er Jahren öfters mit dem Auto durch
Mitteleuropa fuhren, gaben uns unterwegs Spaziergänger mit
osteuropäischem Akzent Auskunft. Ich schloß daraus, daß jene
Flüchtlinge aus derm Balkan die Möglichkeit nützten, in
Frieden durch die Natur zu wandeln, ohne Gefahr zu laufen,
erschossen zu werden, auf eine Tretmine zu steigen... während
die Einheimischen daheim bequem vor dem Fernsehapparat oder im
Shopping Mall hockten.
Für uns Bewohner Amerikas und Europas, der sogenannten
Zuckerseite der Welt dürfte Frieden heute etwas anderes
bedeuten als für unsere Brüder und Schwestern, die das Pech
haben, in Regionen zu leben, die ab und zu bis andauernd von
Unruhen und Kriegen heimgesucht werden. Irakis betrachten sich
wahrscheinlich schon als glücklich, wenn ihr Heim in der
vergangenen Nacht nicht von einer intelligenten Bombe
zertrümmert wurde... ebenso Palestinenser...
Wie haben wir gefühlt, als die Feinde in den 40er Jahren ihre
Panzer in unsere Straßen lenkten, den Asphalt und unser
Selbstwertgefühl zerstörten? Begegneten wir den
Besatzungssoldaten mit Frieden im Herzen, weil mit der
Kapitulation der Krieg ohnehin schon beendet war?
Genügt die Abwesenheit von Kriegsgmaschinen und Soldaten, um
Frieden zu haben? Genügt es, „neutral“ zu sein, um mit allen
Mitmenschen in Frieden zu leben?
Um uns dem Thema „Frieden“ zu nähern, fragen wir uns doch
zuerst, wie die Friedlosigleit aussieht. Früher war es
notwendig, zur Waffe zu greifen, um Hab und Gut des anderen an
sich zu reissen. Heute kennt der Kapitalismus modernere
Methoden, um uns das Geld aus der Tasche bzw. aus unseren
Bankkonten zu ziehen. Mit anderen Worten: heutzutage schwingt
Bruder Kain keine Keule mehr...
Dürfen wir uns tatsächlich als friedlich und friedfertig
bezeichnen, nur weil wir keine Waffe tragen, kein Arsenal,
sondern höchstens Briefmarkensammlungen und wunderbar
bebilderte Sachbücher im Hause aufbewahren?
Müssten wir nicht leichten Verdacht hegen, denken und
annehmen, daß die für den Krieg und den Unfrieden
Verantwortlichen nicht nur unter den Oberbefehlshabern zu
suchen sind, unter den Kapitänen der Flugzeugträger und
Manipulierer „intelligenter“ Bomben, sonden auch unter den
direkten und indrekten Nutznießern jener vielbesungenen
„Freiheit“ und mit Waffengewalt aufrechterhaltenen
„Demokratie“, die es uns weiterhin gestattet, gedankenlos zu
konsumieren, Container um Container mit Wegwerfmüll
vollzustopfen, den Planeten zu verdrecken...
Aber was soll das? Wir haben mit dem Krieg nichts zu tun,
wollen nur den Frieden und gehen sogar pünktlich zu jeder
Friedensdemo... donnerstags... Sollte jemand kommen und uns
einer Friedenstörung bezichtigen, der würde aber unsere
vehementeste Entrüstung zu hören bekommen und... das Lied:
„wir kommen alle alle alle in den Himmmel, weil wir so brav
sind... weil wir so brav sind...
Ein impertinenter Querulant insistiert in Behauptungen und
sagt:
- jeder, der auch nur eine Marihuanazigarette raucht,
ein Gramm Kokain
schnuppert, kämpft den Krieg gegen die Drogen auf der Seite
des Feindes, der Drogenmafia...
- jeder, der sich während des Urlaubs in Thailand oder
Brasilien von einer
minderjährigen Schönen verwöhnen läßt...
- Jeder, der widerstandslos die Vorteile des Staates
wahrnimmt, die dieser durch Umweltverdreckung und ungerechten,
durch Militärmacht und anderen Gaunereien erreichten
Privilegien... erreicht, einen fraglichen Status Quo
verteidigt...
Wir alle sind für den Frieden! Wir alle wollen in Frieden
leben und unsere Kinder in Frieden erziehen, brasiliansichen
Orangensaft trinken, Billigprodukte aus weißderteufelwo
importiert kaufen, im ClubMed der DomRep Urlaub machen,
wohlernährt, braungebrannt und mit dem Mund voller Zähne ins
Objektiv der Kamera lächeln und den Gottvater einen guten und
seit der Neuen Botschaft einen friedvollen alten Herren sein
lassen... Die Armen irgendwo in Afrika oder im Mittereren
Osten oder in Lateinamerika sollen schauen wie sie
zurechtkommen...
Reinhard Lackinger wünscht den Lesern von Onkel Reinhards
Kulturtagebuch Frohe Ostern mit hartgekochten und schön
bemalenen Eiern, Würsten, rohem Schinken aus San Daniele,
Rollschinken, Merrettich, wie Deutsche zum Kren sagen und ein
gutes Brot für das Essen nach der Auferstehung... Alles
geweiht am Gründonnerstag... versteht sich!
Brasilien, 17. 4. 2003
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