Ein Wintermärchen |
Erzählt von Christian Ploier Download |
Hier am Rande
der Stadt erzählt man sich von einem seltsamen Paar. Von Ethel, der
Eule und Tschutscha, dem Hund. Sie waren ein unzertrennliches Paar.
Jeden freien Augenblick nutzen sie um sich Geschichten zu erzählen. Der KRISTALLKÖNIG Es lebte einmal
in uralt vorderen Tagen ein König, dessen Name Suhhin gewesen und der
im Zeichen des Wassermondes seine Herrschaft angetreten hatte - weiß
Gott, warum das wichtig ist! Auf jeden Fall brachte er der Göttin
Silfune seine Opfer dar, hielt sich an die Fastengebote und lud die Sänger
seines Reiches regelmäßig an seinen Hof. Ebenso willkommen waren König
Suhhin die Zwerge und Elfen der ringsum liegenden Wälder, Berge und
Seen, mit denen er der Tradition folgend Gastfreundschaft hielt und
Handel trieb (sein Großvater wollte sogar eine Elfe zur Gemahlin
nehmen). Eines
Morgenmondes geschah es nun, dass der König wie sooft mit seinem Boot
auf Silfunes See ruderte, um die Göttin heimlich beim Bade zu
beobachten. Es hieß, dass sie die Dickleibigkeit eines Elefanten und
die Gutmütigkeit einer Kuh besaß. Wie dem auch sein mag, fest steht,
dass dem König die Krone in dem Augenblick ins Wasser fiel, als Silfune
in den See sprang. Welch kostbarer Verlust! Welch köstlicher Anlass! Für
den König eine dumme Unachtsamkeit, über die seine Edlen munkeln würden.
Für die Räte des Königs ein dunkles, vielleicht unheilbringendes
Zeichen, trugen doch der Vater, der Großvater und der Urgroßvater des
Königs diese Krone. Für die Zwerge war es jedoch ein hochwillkommenes
Ereignis dem König ihre Goldschmiedekunst unter Beweis zu stellen.
Suhhin selbst öffnete für den alten und weisen Zwerg Bambalu, dem
Meister aller Goldschmiede im Zwergenreich, die königliche Schatzkammer
und sprach: „Fertige eine goldene Krone, die meine Herrschaft über
das ganze Land erstrahlen lässt und schmücke sie mit einem einzigen
kostbaren Stein in der Mitte!“
Meister Bambalu nahm von dem Golde des Königs soviel er für seine
Arbeit brauchte. Er versprach die Krone in sieben mal sieben Nächten
fertig zu stellen und sie zum Beginn des neuen Mondjahres in die Hände
des Königs zu legen. Jetzt ließ König
Suhhin im ganzen Reich verkünden, dass die Krone seiner Väter für
immer im See der Götin versunken sei (ob verursacht durch Silfune oder
durch sein eigenes Ungeschick sei dahingestellt), und dass schon bald
eine neue Krone das Haupt des Reiches zieren würde. Er wollte allen
seinen Untertanen zeigen, dass er aus neuer Weisheit und Gerechtigkeit
zu herrschen gedenke. Die neue Krone sollte dafür das Symbol sein.
Daraufhin steckten die Menschen ihre Köpfe zusammen und redeten über
das Für und Wider dieser neuen Weisheit und Gerechtigkeit. Im
Zwergenreich hörte man dazu ein Raunen oder Kopfschütteln und die
meisten Elfen lachten und spotteten darüber mit ihren silberhellen
Stimmen. Nur in der Tiefe des Berges, im Erdinnern selbst, begann ein gewaltiges Rumoren.
Die alten und ehrwürdigen Steinegeister hatte durch die Zwerge vom
Vorhaben des Königs gehört und waren darüber in Streit geraten. Sie verlangten von Meister Bambalu
vor den König selbst geführt zu werden. Da dieser ihre Feuer- und
Wutausbrüche nur zu gut kannte, versprach er eiligst sie zu König
Suhhin zu bringen. Der König war
überrascht, empfing die sechs ururalten Steinegeister aber mit allen
Ehren, und er dankte dem Zwergenschmied, dass er die edlen Steine in
seine Halle geführt hatte. Da begann der älteste der Steine, der
Bergkristall, seine Rede. „Höre mich an König Suhhin. Dein Vorhaben ist uns nicht
verborgen geblieben und wir begrüßen es, dass du eine neue Krone
tragen willst. Doch unter uns Steinegeistern ist ein Streit entbrannt,
da wir nicht wissen, welchen von uns du für deine neue Krone erwählst.
Wir bitten dich durch deine Entscheidung unseren Streit zu beenden.“
Suhhin schwieg betroffen, da er keine rechte Antwort wusste. „Gebt mir
euren Rat, ihr edlen Steinegeister“, sprach der König verlegen, „da
ihr tief in der Erde wohnt und ich wenig weiß von eurem Tun.“ Da dem Ältesten
das erste Wort gebührte, begann der BERGKRISTALL: „ In der Dunkelheit der Erde
bin ich das Klare und Durchscheinende. Mit meinem Licht erhelle ich das
Finstere. Dies ist mit dem Tun eines Königs zu vergleichen, der in
seiner Klarheit dem dumpfen Volk vorangeht und es anleitet. Darum
solltest du mich als Zeichen deiner Weisheit in der Krone tragen.“ „Gut
gesprochen“, ließ sich da der schwarze MORION vernehmen, "ist er
hell, so bin ich finster wie die Erde selbst. In mir spiegelt sich die
Dunkelheit und Wärme der Erde und ich verstehe den dunklen Klang und
das Leid aller Kreatur. Ein jeder findet in mir Ruhe und Geborgenheit.
Ein rechter König wird solch tiefe Gefühle für sein Volk empfinden
und darum mich als Zeichen in der Krone tragen.“ „Alles Dasein
ist aus Licht und Dunkelheit gewoben“, hub der RAUCHQUARZ zu reden an.
„Keiner von meinen Vorrednern kann sich mit mir messen. Dem einen
fehlt es an Licht, dem anderen an Dunkelheit. Ich bin hell und dunkel
zugleich und verstehe von beidem. Dadurch kenne ich die Weisheit des
Lichtes und die Äonen der Dunkelheit. Umfasst ein König mit seinem
ganzen Wesen sein Reich, wird er mich als Zeichen in seiner Krone erwählen!“ Sprach nun der
gelblich schimmernde Citrin: „Das Königtum kommt aus der Sonne
selbst. Die Sonne umgeben von ihren Planeten! Sie bestimmt den
donnernden Gang des Universums! Ist einer wahrhaft König wird er
wissen, warum er mich als Zeichen seiner Macht in die Krone setzt.“ „Pahh, er
wird zwar herrschen, aber darüber sein Volk vergessen“, ereiferte
sich der gewöhnliche Quarz, den man allerorts finden kann: „Ein guter
König, wird die Sorgen und Nöte seiner ärmsten Untertanen kennen. Aus
diesem Mitgefühl kann er die Not des Volkes lindern. Ist das nicht die
edelste Königskunst? Geht der König den wahren Königsweg, wird er
mich wählen zum Zeichen der Verbundenheit mit dem Volke.“ Daraufhin
entstand ein Schweigen und alle blickten nach dem letzten Steinegeist,
dem Amethyst, der keine Anstalten machte mit seiner Rede zu beginnen.
„Willst du zu uns sprechen, Bruder?“, fragte der Bergkristall
vorsichtig. Da zog sich ein leichter Schimmer über sein violettes Haupt
und wie von fern sprach er mit leiser Stimme: „Ich höre das Lied
vieler Sterne, weit draußen in der Sternenwelt. Sie singen vom
All-Eins-Sein. Will der König etwas von dem Sternenlied für sich und
sein Volk, soll es mir recht sein und ich will mein Licht in seiner
Krone schimmern lassen.“ Dann schwieg er träumend weiter, während
sich die anderen Steinegeister fragend an den König wandten, um seiner
Antwort gewahr zu werden. Da erhob sich König Suhhin,
verneigte sich vor den edlen Gästen und sprach: „Ihr alle habt mit
euren Worten mein Herz und meinen Sinn erobert. Doch einer von euch hat
zutiefst mein Inneres erreicht - er soll es sein der meine neue Krone
als Symbol meiner Herrschaft zieren soll.“ „Ja“, sagte die Eule, „so ist das gewesen.“ "Was!“, rief Tschutscha. "Warum erzählst du nicht weiter? Welchen Stein hat der König erwählt?“ „Welchen Stein? Warum welchen Stein? Keine Ahnung, daran erinnere ich mich nicht mehr. Irgendeinen Stein, irgendeinen Stein,“ raspelte sie und rief ihm nach: „Die Nacht ist kalt, geh´ schnell nach Hause Tschutscha.“ Zur Erklärung: Quarze treten in sehr verschiedenen
Varietäten auf. Die kristallographisch gutausgebildeten Varietäten (außer
der gewöhnliche Quarz) sind in diesem Märchen zusammengefaßt: 1 Der Bergkristall (wasserklar) |
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