Späte Ehrung für
Kunstmaler Toni Schmiderer aus St. Martin (1915-1997) durch den Loferer
Kulturverein "Binoggl"
Er liebte das Leben, hatte immer einen Witz auf den Lippen und nahm die
Dinge, wie sie kamen. So wird Toni Schmiderer aus St. Martin bei
Lofer von Bekannten beschrieben. Er nannte sich selbst "Kunstmaler".
Das Malen war seine Leidenschaft und zugleich schwerer Broterwerb. Er
malte das, was er liebte: die Natur, die Berge, aber auch Häuser, Porträts.
Er malte auf Leinen, auf Holzfaserplatten, schlichte Aquarelle,
Bilder mit Ölfarben, mit Wasserfarben, gespachtelt, mit Knittertechnik.
In etlichen Häusern hängt heute ein "echter Schmiderer".
Der Künstler wäre gerne ein anerkannter Kunstprofessor
geworden. Talent sagte man ihm ja nach. Allein, dafür war er zu
bescheiden, zu leise, zu bodenständig. Still und geduldig nahm er
Abschied vom Malen, als er - 76jährig - durch den Grünen Star kaum mehr
etwas sah. Still und liebevoll nahm er Abschied von der Welt, als er
- 82jährig - starb: mit einem geflüsterten "Pfiati, Spatzl"
an seine Nichte.
Schwägerin Lisa Schmiderer, eine gebürtige Hannoveranerin, hat
ihre Toni-Bilder an ehrenwerten Plätzen im Haus in St. Martin
aufgestellt. Sie hat den Bruder ihres verstorbenen Mannes Hieronymus gern
gehabt, wie viele hier im Tal. Lebhaft erinnert sie sich, wie der
Toni mit dem Moped gefahren ist, hinten im Rucksack ragte die
Staffelei in den Himmel. Und auch, wie er im Militärfell-Mantel am Werken
war, mit Fellhandschuhen, weil er nichts zum Heizen hatte. Sie hat noch
vor Augen, wie sie selbst bei Schneematsch mit dem Moped nach Lofer
gefahren war, um für den Schwager ein Geschäft abzuwickeln. Mit einem
Bild im Rücken, das größer war als sie selbst, gings zum Glaserer.
“Der hat mir das glatt abgekauft³, freute sie sich. Oder wie sich der
Toni auf seinem elektrischen Kocher den beliebten Kartoffelschmarrn
zubereitete.
Er wäre gerne Kunstprofessor geworden.
“Irgendwann werd´ ich Professor", hatte der Toni gescherzt.
Wenn nicht, dann halt nicht, war seine einfache Devise. Er war ein Lebenskünstler,
der sich, so Lisa, "nie richtig ins Leben reindachte", "immer
etwas über den Dingen stand". Einer seiner Aussprüche, den er auf
sich selbst bezog: “Sie säen nicht, sie ernten nicht und der liebe Gott
ernährt sie doch."
Schwägerin Lisa hätte ihm eine Würdigung zu Lebzeiten gewünscht.
“Erst wennst tot bist, kommst du zu Ruhm und Ehren³, prophezeite
sie ihm aber. In den Häusern, wo eines seiner Bilder hängt, wurde er
jedoch stets hochgehalten. Auch Ausstellungen hätte er gerne gemacht,
aber für ihn war klar: "Ohne Geld koa Musi."
So lebte er von der Hand in den Mund, verdiente dort und da ein paar
Hunderter beim Ausmalen von Zimmern , beim Bemalen von Grabkreuzen. Er
fuhr Gasthöfe im ganzen Pinzgau an und verkaufte immer wieder
eines seiner Werke. Dann gab es kurzfristig Bares. Dann ging es dem Toni
gut und er konnte ausleben, was seinem Naturell entsprach: seine
Freigiebigkeit. Nichte Lydia, das Nesthäkchen, bekam dann eine
Schi-Tageskarte und ein Wiener Schnitzel. Die verheiratete Stockklauser
in Unken hatte sich in den letzten Jahren vor seinem Tod um den "Lieblingsonkel"
gekümmert. Denkt sie an ihn, steigen in ihr lebhaft Bilder auf: Etwa, wie
er mit ihr auf den Schultern mit einem lautstarken “Holleretü³ auf der
St. Martiner "Faltertalwiese" mit den Schiern
hinuntergesaust war. Oder wie sie als Mädel im "Schmiderer-Haus"
auf dem Dachboden über die Malereien gekrochen war, "so viele waren
da".
Sein Lebensmotto: keinem Tag nachweinen.
Toni Schmiderer war 1915 zur Welt gekommen und in St. Martin als
Zweitältester mit seinen Brüdern Hansei, Hieronymus und Josef groß
geworden. Die Eltern hatten zunächst im Haus "Mittermoos"
gewohnt. Vater Josef war Tischlermeister, Mutter Maria führte die
Trafik im Ort. Toni machte nach der Schule eine Lehre als Maler- und
Anstreicher und verlegte sich später auf Kunst. Die Familie zog 1932 ins
heutige "Schmiderer"-Haus ein. Die Zeit war geprägt von
Massenarbeitslosigkeit und permanentem Hungergefühl. Deshalb habe der
Toni bereits 1932 die Heimat verlassen und bei der Deutschen
Bundesbahn eine Anstellung bekommen, weiß Halbbruder Peter
Schmiderer. Im Zweiten Weltkrieg sei er, so Peter, eingezogen
worden. Dann wurde der Toni lungenkrank. Er kam in mehrere
Lungenheilanstalten und schließlich heim. Zu Kriegsende mussten in St.
Martin die Häuser zunächst für die Amerikaner freigemacht werden.
Nicht das Schmiderer-Haus, erinnert sich
Bruder Hansei, der heute in Abtenau lebt. “Weil der Toni TBC hatte,
konnten wir drinnenbleiben. Denn die Amis fürchteten, angesteckt zu
werden." Die Mutter starb mit rund 60 Jahren an Magenkrebs. Der
verwitwete Vater heiratete abermals und bekam mit seiner zweiten Frau
weitere Kinder. Der Toni litt noch lange unter seiner Krankheit, spukte
viel Schleim, “jammerte trotzdem nie" (Lisa). Als “Versehrter³
bezog er eine kleine Rente. Doch zum Leben war diese zuwenig. “Er hat
sich regelrecht durchgeschlagen durchs ganze Leben und war bescheiden bis
zum geht-nicht-mehr", so die Schwägerin. Toni malte in einem St.
Martiner Waschhaus an der Bundesstraße. Für einige Zeit wohnte und
arbeitete er im alten “Schopperhaus³ in Lofer, dann im Gutshof
“Reithausen" in Saalfelden, wo er als Hausmeister tätig war. Auch
der Schlossturm im Altersheim Saalfelden wurde zeitweilige Künstlerstätte.
Lange Jahre lebte er mit der Ungarin Maria in Saalfelden. Als diese
Krebs bekam, pflegte er sie bis zu ihrem Tod. Da war er 76 Jahre alt und
hatte die besten Jahre als Maler bereits hinter sich. Am 15. Dezember 1997
schloss er im Altersheim in Farmach, Saalfelden, seine Augen für immer.
“Keinem Tag nachweinen", war die Lebensphilosophie des
Kunstmalers aus dem Unteren Saalachtal. Toni war beliebt, wenngleich er
von manchen ob seiner Lebensweise belächelt wurde. In seinen Bildern lebt
er für viele Menschen, die ihn gern hatten und seine Kunst schätzten,
weiter.
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