Autor: Peter Blaikner
Titel: Schatten über Salzburg – Roman (nach einer wahren Begebenheit)
ISBN: 978-3-8392-0727-7
Verlag: Gmeiner Verlag GmbH
Erschienen: 10.07.2024
Klappentext:
Salzburg, 1993. Neonazis besetzen einen leerstehenden Gutshof. Harald Schauer, Lehrer an einem Gymnasium, lebt mit seiner Familie in der Nähe. Er ist beunruhigt und versucht vehement, diesem rechtsradikalen Treiben in seiner Nachbarschaft entgegenzuwirken.
Dabei wird er immer weiter in den Strudel dubioser Machenschaften gezogen und verfängt sich im verhängnisvollen Netz eines gefährlichen Spiels. Die Verstrickungen reichen vom Krieg in Jugoslawien über die deutsche Neonazi-Szene bis in einflussreiche Kreise von Politik und Gesellschaft.
Rezension von Anni Lemberger
Wer glaubt, dass die „Führerzeiten“ 1945 geendet hätten, irrt! Nachdem Reinhard, ein gemobbter und geschlagener Schüler, 1993 beschlossen hat, sein „Opferdasein“ zu beenden, schlägt er einen fatalen Weg ein. Gemeinsam mit seinem Arbeitskollegen und Kumpel Ivo, einem gebürtigen Kroaten, zieht er in den „Jugoslawienkrieg“. Von fanatischen Anführern in sinnlose Kämpfe gehetzt und für brutale Morde gefeiert, kehrt Reinhard, der sich mittlerweile den Kämpfernamen Roger zugelegt hat, zurück, um dem Vater eines verstorbenen Kameraden die Todesnachricht seines Sohnes zu überbringen. Als Roger diesem anvertraut, dass er sich zu „einem Führer“ berufen fühlt, vermittelt dieser ihm den Kontakt zum „selbsternannten Reichsmarschall“ in München. Bei dieser Begegnung vollzieht dieser ein ganz besonderes Aufnahmeritual der deutsch-österreichischen Vereinigung mit ihm.
Nachdem dann die Skinheads mit ihren rasierten Köpfen in Salzburg einen verfallenen Gutshof in Nonntal besetzen, werden sie zu Nachbarn des Gymnasialprofessors Harald Schauer, der die „rechten Glatzköpfe“ nicht in seiner Nähe haben möchte und gegen sie ankämpft. Bei einem „nachbarschaftlichen Antrittsbesuch“ im Petersbrunnhof trifft Schauer auf einen Pater der rechtsgerichteten Piusbruderschaft und ihm wird einmal mehr klar, dass sich gefährliche Mitmenschen in seiner Nachbarschaft angesiedelt haben. Wie gefährlich sie wirklich sind, wird erst klar, nachdem die Situation endgültig eskaliert.
Ein großartiger und zum Nachdenken anregender Roman, der wahren Begebenheiten nachempfunden ist.
Der Protagonist Harald Schauer ist ein fähiger Pädagoge, der den Beruf zwar liebt, aber langsam an den vielen schulischen Auflagen und den ständig wiederkehrenden Schularbeitenkorrekturen in seiner Wohnung zermürbt wird. Seine Ehefrau entfernt sich mental allmählich von ihm, das eheliche Zusammenleben ist dem Alltagseinerlei zum Opfer gefallen. Seine 10-jährige Tochter liebt er auf seine Art und Weise, die notwendige Unterstützung bei ihren Rechtschreibproblemen kann er ihr, obwohl er Deutsch unterrichtet, nicht geben.
Schauer unterrichtet in seinem Zweitfach Geschichte, deshalb sind ihm die Gräuel der Nazizeit durchaus präsent und darum fühlt er sich auch verpflichtet, der Wiederkehr dieser Ideologie einen Riegel vorzuschieben.
Er interveniert wiederholt bei verschiedenen Stellen und wird mehrfach von offizieller Seite aufgefordert, sich nicht einzumischen. Schauer versteht nicht, warum ihn niemand ernst nimmt und verstrickt sich immer mehr in dunkle Machenschaften, die er nicht durchschaut. So läuft er sehenden Auges auf eine Katastrophe zu.
Den Antagonisten sehe ich stellvertretend in dem jungen Roger, der als gesellschaftlicher Außenseiter eine erfüllende Aufgabe im Leben sucht. Als Kind auf sich allein gestellt, muss er lernen, sich selber zu wehren. Und Reinhard alias Roger lernt es gut – er wird Kämpfer, verirrt sich in den Jugoslawienkrieg, in dem nur noch das Recht des Stärkeren gilt. Um ihn herum sterben Menschen, während er überlebt, weil er selbst skrupellos tötet. Zurückgekehrt ist er keineswegs geläutert, sondern sucht einen Weg, andere als „Kämpfer“ zu führen, und landet letztlich auf diesem Gutshof als überzeugender „Führer“ der kleinen Gruppe.
Die Gruppe gestrandeter junger Menschen im Petersbrunnhof wird immer größer: Die meisten sind wie Roger, begeistert von der rechten Ideologie, in der „Kommunisten, Türken, Kanaken“ zu bekämpfende Feindbilder sind. Andere sind schwer traumatisierte Kriegsheimkehrer, Obdachlose und andere sozial ausgegrenzte und abgelehnte junge Menschen.
Was mir an diesem Roman besonders gut gefallen hat, sind die Beschreibungen der Biografien junger Menschen, die den Weg in die rechte Ideologie geebnet haben. Die Frage muss daher gestellt werden: Wie viel Anteil hat die Gesellschaft bei jungen Menschen, die in eine extreme Richtung abgleiten? Ist es nicht legitim, dass sich jeder Mensch irgendwo zugehörig fühlt? Finden sie dort von Elternhaus und Gesellschaft kein Gehör, haben es Verführer aller Richtungen leicht, Menschen wie Roger Zugehörigkeit und Familiensinn zu vermitteln….
Sehen wir deshalb in den Spiegel, den uns dieses Buch hinhält. Mischen wir uns ein, wenn etwas in eine falsche Richtung läuft, und machen wir die Türen auf, wenn junge Menschen dazugehören möchten.
Das Cover des Buches ist sehr ansprechend, der Text ist flüssig geschrieben und gut lesbar. Die Handlung zieht den Leser von Anfang an in den Bann und ist in zwei verschiedene Bereiche gegliedert: Zum einen die Geschichte des Lehrers Harald Schauer und zum anderen der Weg verschiedener Menschen in die fatale Richtung der rechten Ideologie.
Eine absolute Leseempfehlung von meiner Seite zu einem Buch, bei dem auch noch ganz viel Salzburg drin ist.
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