Das Salzburger Marionettentheater feierte seinen 111. Geburtstag von 24. bis 27. Oktober 2024 mit einem Festival der Fadenmarionetten. Sechs Ensembles aus fünf Ländern zeigten auf vier Bühnen in Salzburg ihre Kunst.

Zur Eröffnung war das Theater Altenburg Gera mit Hugo von Hofmannsthals Mysterienspiel „Jedermann“ im KunstQuartier zu Gast. Anschließend fand im Marionettentheater die Premiere von William Shakespeares „Romeo und Julia“, in einer Fassung von Thomas Reichert, statt. Gratulation zum fulminanten Start eines neuen Festivals, das nun alle zwei Jahre stattfinden soll.
Marcella von Jan prägte viele Jahre mit ihrem Können in über 85 Inszenierungen das Geraer Puppentheater. Mit einer ihrer herausragendsten Produktionen war sie nun in Salzburg zu Gast, wobei sie im „Jedermann“ alle 15 Rollen übernimmt.
Jedermann
Auf der riesigen Bühne sitzt Jedermann, der reiche Prasser, anfangs ganz alleine an einem großen Tisch und plaudert mit seinem guten Gesell. In dieser Rolle hat Marcella von Jan eine freche Kappe auf, als Schuldknechts Weib hingegen tut es auch ein Tuch. Sie hantiert völlig unaufgeregt mit den unterschiedlichsten Puppen, den beiden Vettern, der eleganten, aber gebrechlichen Mutter und natürlich der supersexy Buhlschaft, der sie einen allerliebsten Lispler verpasst. Zum Finale hat sie einen großen Auftritt als wütender, enttäuschter Teufel. Währenddessen hängen die Puppen an langen Seilen und führen einen gespenstischen Totentanz auf.




Matthias von Hintzenstern sorgt mit seinem Cello für die passende mystische Stimmung. Das Faszinierende an dieser Produktion sind die unterschiedlichen Puppen, wobei der wuchtige Jedermann an Nikolaus Habjans Klappmaulpuppen erinnert. Es kommen aber auch Handpuppen zum Einsatz. Der Kopf des Schuldknechts hingegen steckt bereits hinter Gittern. Die Guten Werke und der Glaube werden auf Rädern hereingerollt. In dieser bildgewaltigen Produktion ist also die ganze Bandbreite an Marionetten und Puppen zu bewundern.
„Jedermann“ – Hugo von Hofmannsthal. Inszenierung: Frank Soehnle. Puppenbau: Udo Schneeweiß. Dramaturgie: Hanna Kneißler. Puppenspiel: Marcella von Jan. Violoncello: Matthias von Hintzenstern. Fotos: Salzburger Marionettentheater © Bernhard Müller
Romeo und Julia
Anschließend fand im Marionettentheater die Premiere von „Romeo und Julia“ statt, ein Fest für die traditionellen Fadenmarionetten. Romeo ist „ein armer Schwärmer“, seine munteren Freunde Mercutio und Benvolio machen sich gerne über ihn lustig. Auf einem Fest der Capulets, das sie maskiert besuchen, lernt er Julia, die Tochter des Hauses, kennen und schon schwebt er mit ihr im siebten Himmel. Pater Lorenzo traut die beiden, hegt er doch die Hoffnung, dass dann der Sippenhass zwischen den Capulets und Montagues endlich ein Ende haben könnte. Das tragische Ende ist bekannt. Romeo wird in einen Straßenkampf verwickelt und tötet Tybald, Julias Cousin. Er wird verbannt und dann läuft einiges schief. Schließlich liegen Romeo, Julia und ihr Bräutigam Prinz Paris tot in der Gruft der Capulets.
Eigentlich ist es ja eine absolut tragische Geschichte, doch die kleinen Puppen sorgen auch für heitere Momente. Romeo, ganz in Schwarz mit weißen Sneakers, und seine Julia, ein lässiger Teenie, der gerne barfuß geht, sind wirklich ein allerliebstes Paar. Jede Figur ist liebevoll gestaltet (Puppenköpfe: Leonhard Winkler), grandios der böse Tybalt mit seiner Irokesen-Frisur und Julias cholerischer Vater. Edouard Funck hat die Puppen absolut passend zu ihrem jeweiligen Charakter eingekleidet.




Die schlichte Bühne gewährt immer wieder Einblicke in das Anwesen der Capulets. Entzückend das Wohnzimmer, in dem Prinz Paris um Julia wirbt. Die Puppen wandern aber mit ihren Puppenspielern auch durch Veronas Straßen und da kann man deren Fingerfertigkeit bewundern. Der von namhaften Schauspieler*innen gesprochene Text ist von einer Leichtigkeit geprägt, der die Tragik mildert. Eine entzückende Produktion, die heuer zur Weihnachtszeit auf dem Programm stehen wird und absolut sehenswert ist.
„Diese Geschichte von Hass, Neid, Eifersucht und größter Liebe können Marionetten ganz besonders stark erzählen, da sie – nur aus Holz und scheinbar leblos – die uneingeschränkte Projektionsfläche von Gefühlen und Gedanken jedes einzelnen Zuschauers sein können.“ – Thomas Reichert, Regisseur
„Romeo und Julia“ – William Shakespeare. Regie und Textfassung: Thomas Reichert. Kostüme: Edouard Funck. Bühne: Thomas Reichert, Günther Schöllbauer. Licht: Thomas Reichert, Alexander Proschek. Puppenköpfe: Leonhard Winkler. Marionettenspieler*innen: Philippe Brunner, Anne-Lise Droin, Vladimir Fediakov, Edouard Funck, Maximilian Kiener-Laubenbacher, Marion Mayer, Emanuel Paulus, Philipp Schmidt, Eva Wiener, Ursula Winzer. Sprecher*innen: Sibylle Canonica, André Jung, Juliane Köhler, Sylvana Krappatsch, Thomas Limpinsel, Johannes Meister, Stefan Merki, Simon Zagermann. Fotos: Salzburger Marionettentheater Fotos: © Adrienne Meister

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