Raffaella Romagnolo: Die Sterne ordnen

Raffaella Romagnolo

Raffaella Romagnolo | Foto: Diogenes © Lucia Bianci

Raffaella Romagnolo: Die Sterne ordnen

Autorin: Raffaella Romagnolo
Titel: Die Sterne ordnen – Roman
Aus dem Italienischen von: Maja Pflug
ISBN: 978-3-257-07310-2
Verlag: Diogenes Verlag
Erschienen: 25.09.2024

Klappentext:

Die zehnjährige Francesca kümmert sich hingebungsvoll um eine Katze, aber mit Menschen spricht sie nicht. Ihre Lehrerin Gilla vermutet hinter dem Schweigen ein Geheimnis. Niemand weiß, was das Kind unter Mussolini und im Krieg erlebt hat. Erst seit Kurzem ist Frieden in Europa, Frieden im piemontesischen Borgo di Dentro. Gilla hofft auf einen Neuanfang für ihren Schützling. Mit den einfachen Mitteln einer Lehrerin versucht sie, Francescas Welt wieder ins Lot zu bringen.

Anni Lemberger

Rezension von Anni Lemberger

Der Krieg ist gerade erst zu Ende gegangen. Die Menschen versuchen langsam, zur Normalität zurückzukehren. Auch die junge Lehrerin Maestra Gilla, die im kleinen Ort Borgo Di Dentro als Grundschullehrerin neu anfängt, gibt ihr Bestes. Kurz nach Unterrichtsbeginn wird aus dem nahegelegenen Waisenhaus noch ein kleines Mädchen namens Francesca Pellegrina zu ihr in die Klasse gebracht. Obwohl das Mädchen hochintelligent ist, spricht es nicht.

Die junge Lehrerin versucht, hinter das Geheimnis der mutistischen Schülerin zu kommen. Ihr zur Seite steht dabei Maria Luisa Piombo, die Sitznachbarin von Francesca, die sich mit dem stummen Mädchen anfreundet und sie vor den Attacken ihrer Mitschülerinnen schützt.

Eine ganz besondere Rolle spielt dabei ein streunendes Kätzchen, wie Gilla noch erfahren sollte.

Zusätzlich repariert die junge Lehrerin mit viel Mühe ein gefundenes mechanisches Planetarium, um ihren Schülerinnen – und besonders Francesca – den Sternenhimmel anschaulich näherbringen zu können.

Ganz langsam und mit viel Feingefühl kommt die Lehrerin dem dunklen Geheimnis ihrer Schülerin näher und beginnt allmählich zu ahnen, was der Kleinen „die Sprache verschlagen“ haben könnte. Ihr Engagement für die Schülerin konfrontiert die junge Pädagogin aber auch mit ihren eigenen Kriegserlebnissen unter den deutschen Besatzern und bringt verdrängte, tragische Erinnerungen wieder nahe.

Ein großartiger und berührender Roman über eine Pädagogin mit Herz und ein kleines, schwer kriegsgeschädigtes Kind.

Die Protagonistin ist eine junge, engagierte Lehrerin, die die Gräuel des Krieges aus nächster Nähe kennengelernt hat. Zuerst wurde das Elternhaus von Gilla ausgebombt, und sie musste mit ihren Eltern zu Bekannten nach Piemont flüchten. Während ihre Eltern nach dem Krieg wieder heimkehren, bleibt Gilla in dem kleinen Ort Borgo di Dentro zurück, um die Stelle der Grundschullehrerin für Mädchen anzutreten. Sie sieht es als Neuanfang und als Möglichkeit, die schrecklichen Kriegserlebnisse hinter sich zu lassen. Was sie nicht ahnt, ist die Herausforderung, die auf sie zukommt, als die neue Schülerin in die Klasse kommt und sie sich ihrer annimmt.

Gilla wurde dazu sozialisiert, mit den Kindern streng zu sein und als „Maestra“ auch körperliche Strafen anzuwenden. Als sie den Stock in die Hand nimmt, um Maria Luisa und Francesca „für den Aufsatzbetrug“ zu bestrafen, wird ihr klar, wie unsinnig körperliche Züchtigungen sind, und sie bricht den Stock entzwei.

Als Lehrerin hat sie sich zwei große Ziele gesetzt: Zum einen möchte sie das kaputte Planetarium wieder funktionstüchtig machen, und zum anderen möchte sie das Rätsel des schweigenden Mädchens lösen.

Die Autorin schildert einfühlsam und kraftvoll die Auswirkungen des Faschismus mit seinen brutalen, antisemitischen Bestrebungen. Während unter Mussolini die Juden aller Rechte beraubt wurden, begann die Deportation jedoch erst mit der Besatzung durch Nazi-Deutschland. Auch den mutigen Widerstand durch eine Gruppe von Partisanen thematisiert Romagnolo.

Obwohl die Haupthandlung des Buches nach Kriegsende – in einem Zeitraum von einem Jahr – spielt, nimmt die Autorin die Leser in Rückblicken mit auf das Geschehen während des Krieges.

Besonders gelungen ist Raffaella Romagnolo jedoch der Fokus auf die Protagonistinnen und ihre Schicksale, während der Krieg zur erklärenden Nebenrolle wird.

Die Lebensgeschichten der handelnden Personen werden in verschiedenen Kapiteln erzählt und fließen am Ende zusammen. Auch die gedankliche Vorbereitung der jungen Lehrerin auf den Unterricht in Astronomie bekommt viel Raum und vermittelt den Lesern Wissenswertes über unser Sonnensystem.

Die Handlung ist fiktiv, basiert jedoch auf den historischen Fakten des Zweiten Weltkriegs, die die Autorin breit gefächert und gründlich recherchiert hat.

Das Cover des Buches ist geheimnisvoll, bringt aber nicht die Düsternis der Ereignisse zum Ausdruck. Die Sprache ist gut verständlich und nachvollziehbar, die Übersetzung ins Deutsche gelungen und der Roman authentisch. Die Einleitung des Romans spiegelt die Hoffnung auf einen überstandenen Krieg gut wider; die Handlung springt zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin und her, um die Leser allmählich in die Geheimnisse des kindlichen Mutismus hineinzuziehen.

Ein absolut lesenswertes Buch, das sehr nachdenklich macht, aufrüttelt und dessen Faszination es schwer macht, eine Lesepause einzulegen.


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