Rudolf Hänsel: Game over!

Buchtitel: GAME OVER! Wie Killerspiele unsere Jugend manipulieren
Autor: Rudolf Hänsel
Verlag: Kai Homilius Verlag Berlin
Erschienen: 2011
ISBN: 978-3897064003

Killerspiele: Vorbereitung für den Krieg

In kompakter Form rollt Rudolf Hänsel auf 120 Seiten Aspekte von Killerspielen auf. Er thematisiert die Spielsucht, die Abstumpfung und die Desensibilisierung gegen Gewalt durch PC-Kriegsspiele. Auch Killerspiele und Amokläufe kommen im Buch »Game over» zur Sprache und die Zusammenarbeit von Pentagon, CIA, Hollywood und Spielindustrie. Am Schluss weist Hänsel auch auf die Aufgabe der Eltern hin: Den Kindern zu Hause eine solidarische Haltung zu vermitteln, die Achtung vor den Menschen, Gewalt nicht zu dulden und sie anzuleiten Computer sinnvoll zu verwenden. Was mir am meisten Eindruck machte in diesem Buch: Hänsel dokumentiert, wie mit dieser Art von Freizeitbeschäftigung schon Kinder beeinflusst werden, Kriege als normal zu betrachten. Er zeigt drastisch auf, wie mit diesen Games Feindbilder geschaffen werden, wie Feldzüge gegen Menschen einer anderen Rasse und einer anderen Religion schon Schülern nahe gebracht werden.

Games-Industrie macht mehr Umsatz als Hollywood

Die Games-Industrie hat inzwischen einen größeren Umsatz als die Filmindustrie in Hollywood. Es wird geschätzt, dass der Jahresumsatz dieser Branche 30 Milliarden Dollar pro Jahr beträgt. Allein in Deutschland werden jährlich 50 Millionen Stück Games verkauft, unter anderem «Call of Duty: Black Ops», »Doom», »Der Pate» oder andere Action-Spiele. Das neue Killergame «Call of Duty: Black Ops» hat gerade kürzlich alle Verkaufsrekorde für Games gebrochen. 5,6 Millionen Exemplare wurden in 24 Stunden weltweit verkauft. Also: Ein guter Grund sich näher mit diesen Games zu befassen, mit der sich Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene „so gut“ amüsieren.

Freizeitvergnügen am Bildschirm

Ein Gamer, der von Montag bis Freitag 20 Stunden am Bildschirm plus das Wochenende, schilderte Rudolf Hänsel sein Freizeitvergnügen wie folgt:  „Was andere als pervers empfanden, war für uns einfach ‚lustig‘, so zum Beispiel das Töten von Zivilisten am Computer und die Todesschreie der Gegner. Was haben wir gelacht, wenn ein Zivilist im Spiel Half-Life unter den Schlägen der Brechstange blutend zu Boden ging.“

Wie im Film »Der Pate» lustvoll foltern und töten

Im Killerspiel »Der Pate», das auf dem gleichnamigen Film basiert, wird extrem brutal vorgegangen. Der Spieler nimmt dort die Rolle eines Mafiaverbrechers ein der lustvoll andere foltert und tötet. Im Mordauftrag 8 des Games ist die Rede davon: „Töte ihn nicht gleich, sondern lass ihn langsam ausbluten, wie ein Schwein.“

Killergames, US-Army und CIA

Die US-Killergames werden in vielen Fällen in Zusammenarbeit mit der amerikanischen Armee und dem Geheimdienst der USA, der CIA, fabriziert, wie das auch bei Kriegsfilmen der Fall ist. Die Akzeptanz für den Kriegsdienst in den USA soll so gefördert und die Rekrutierung erleichtert werden. Das Videospiel »Doom» (Schicksal, Verhängnis), verwendet das US-Marine Corps in abgewandelter Version mit dem Namen »Marine Doom», um Rekruten das Töten beizubringen.

Schlacht um die Stadt Falluja im Irak als Spiel

Im Game »Six days in Fallujah» wurde die Schlacht um die Stadt Falluja im Irak nachgestellt. Der US-Geheimdienst CIA half das Projekt zu finanzieren, das 20 Millionen Dollar gekostet hatte. Dem Spieler dieses Games wird versprochen damit in sechs Tage Kriegsgeschichte kampfnah lernen zu können. Die wochenlange Schlacht der angloamerikanische Kriegskoaltion im November 2004 hatte Tausenden Zivilisten das Leben gekostet. Bei der Produktion dieses Spieles dienten Videos, Fotos und Tagebucheinträge der US-Marines der Schlacht als Grundlage. Dem CIA-Entwicklungsstudio, das sich auf die Programmierung von Kampfsimulationen für das Militär spezialisiert hat, dienten diese realen Kriegshandlungen als dokumentarische Vorlage. Eine geplante zweite Version des Killerspiels soll als Trainingssimulator für neu rekrutierte US-Marines eingesetzt werden. Dieses Games ist also, wie andere Videospiele auch, ein Dual-use Produkt, das sowohl zivil wie im Militär verwendet werden kann.

Das bereits fertiggestellte Spiel »Six days in Fallujah» konnte bisher nicht veröffentlicht werden, da es massiv kritisiert wurde. Ein Vertreter der Friedensgruppe aus Grossbritannien »Stop the War Coalition» charakterisierte es als „krank“, aus der Schlacht um Fallujah ein Spiel zu machen. Man dürfe so etwas nicht „zu Unterhaltungszwecken verherrlichen und schönfärben“. Peter Tamte, Präsident des Entwicklerhauses »Atomic Games», glaubt aber weiterhin, dass der kontroverse Irak-Shooter »Six Days in Fallujah» noch erscheinen kann. Tamte denkt, dass man das Image des Spiels wiederherstellen könnte und dass der Titel eine Möglichkeit für die Welt sei, die wahren Geschichten zu erfahren. (Ausschnitte aus »Six days in Fallujah» auf »youtube.com»)

Unter Hitler machte man mit Kriegsspielzeugen den Krieg schmackhaft

Im Buch »Game over» wird auch daran erinnert wie in der Zeit des Faschismus in Deutschland, von 1933 bis 1945, Kindern bewusst der Krieg schmackhaft gemacht wurde. Damals noch simpel mit so genannten Wehrspielzeugen, mit der Hitlerjugend, den deutschen Heldensagen, mit der Glorifizierung der Kriege die das Deutsche Reich früher geführt hatte.

Rudolf Hänsel schreibt: „Das Eindringen der faschistischen Ideologie auch in die Spielwelt der Kinder hatte vor allem die Militarisierung der Kinder zum Ziel. Mit dem Kriegsspielzeug sollte die Jugend mit der Idee eines künftigen Krieges vertraut gemacht werden.“ „Kriegsspielzeuge konnten als Katalysator und Transportmedium für politische Vorstellungen, Normen, Ideologien und Stereotypen bezüglich Rüstung, Militär, Krieg und Herrschaft eingesetzt und wirksam werden.“ Heute ist dies nicht viel anders.

„Erzieht Kinder so, dass sie sich später weigern, Soldaten- und Kriegsdienste zu tun!“

Ernst Friederich schrieb 1924 vergeblich: „Erzieht Kinder so, dass sie sich später weigern, Soldaten- und Kriegsdienste zu tun!“ Heute werden Kinder und Jugendliche mit Fernsehen und Killergames, perfekter als unter den Nazis, fit gemacht für die so genannte militärische Verteidigung unserer Kultur, zur militärischen Kontrolle und Sicherung der Ausbeutung von Bodenschätzen, auch weit hinten am Hindukusch in Afghanistan.

Vom Game »Counter-Strike» zur Bundeswehr

Rudolf Hänsel schildert die Begegnung mit einem 17-jährigen: Er trug uniformartige schwarze Kleidung aus einem US-Militärshop. Er erzählte Hänsel in Gegenwart seines Vaters offen über die Marathonsitzungen am Computer, an denen er die Schule schwänzte. Er schilderte wie er während des Monats in Kriegsstrategiespielen immer wieder Feldlager aufgebaut hatte und sie mit Panzern, Cruise Missiles und sogar Atomwaffen aufgerüstet hatte. Im »Counter-Strike» Game habe er immer wieder den Counter-Terroristen gespielt, der arabisch sprechende Terroristen jagte und abknallte. Sein grösster Wunsch sei es, erzählte er Hänsel, zur Bundeswehr zu gehen, um einmal eine echte Uniform anzuhaben. Er wünschte sich nach Afghanistan versetzt zu werden. Dort wollte er ein Maschinengewehr in die Hände zu bekommen und die Taliban, diese Terroristen, abknallen. Später verliess dieser junge Mann die Schule und meldete sich zum Wehrdienst.

Ich denke, dies ist extremes Beispiel, denn immerhin ist zu sagen, dass heute über drei Viertel aller Deutschen dafür sind, dass die deutsche Bundeswehr aus Afghanistan abzieht. – Seinerzeit waren zwar sowohl die Grünen wie die Sozialdemokraten für die Entsendung von Soldaten an den Hindukusch, um dort angeblich auch Deutschland zu verteidigen.

Computerspiel »American Army» als Vorbereitung für den Kriegseinsatz

Clifton Hicks meldete sich als 18-jähriger freiwillig für den Dienst in der US-Army. Nach seiner Rückkehr aus dem Irak engagierte er sich bei den »Iraq Veterans Against the War», (www.ivaw.org) den Kriegs-Veteranen, die sich für eine Beendigung des Krieges engagieren. Auf die Frage nach der Bedeutung von Killerspielen für das Verhalten von Soldaten antwortete Clifton Hicks: „Tatsächlich. Ich glaube, dass gewalthaltige Computerspiele eine Rolle spielen für die Kampfeinstellung. Jedem Soldaten wurde das Computerspiel »American Army» übergeben. Die jungen Soldaten werden angehalten diese Spiele als Vorbereitung für den Kriegseinsatz zu spielen. Diese Spiele legen Denk- und Handlungsmuster an, die das Empfinden verändern. – Man hat nicht mehr das Gefühl, einen Menschen getötet oder ermordet zu haben. Offenbar ist es nicht gewollt, dass wir uns fragen was für ein Mensch das war, wen er zurücklässt und ob es sich hätte vermeiden lassen, ihn zu töten.“ (www.americasarmy.com)

Weitere Bücher zum Thema Killer Games:

Mega Buster, Kriegsgebiet Kinderzimmer, eine Intervention zu Gewalt, Gesellschaft und Entwaffnung“

Interpixel (Eva-Maria Würth und Philippe Sablonier, edition fink, ISBN 978-3-03746-130-3

Das Buch ist direkt erhältlich beim Schweizerischen Friedensrat, Gartenhofstrasse 7, 8004 Zürich, Postfach 1808, 8021 Zürich 1, Telefon: 044‘242‘93‘21, E-Mail info@friedensrat.ch

„Wer hat unseren Kindern das Töten beigebracht?“, Lt. Col. Dave Grossmann und Gloria DeGaetano, Verlag Freies Geistesleben, ISBN 3-7725-2225-4

Weitere Infos zu Verbindungen Militär, Rüstungsindustrie, Schulen und Videospiel-Branche:

IMI – Informationsstelle Militarisierung e.V.

IMI-Studie 2010/15 – in: AUSDRUCK (Dezember 2010)

Militärspiele

Verbindungen zwischen der Militär- und der Videospiele-Industrie

Von Michael Schulze von Glaßer, 9.12.2010

Der militärisch-industrielle-Komplex nutzt Software aber nicht nur zum Soldatentraining oder zur Waffensimulation, sondern auch für externe Zwecke. Die Verbindung zwischen der Entwicklung von Simulationen, Videospieltechnologien, Videospielen und dem Militär durchzieht nicht nur Forschungsbereiche auf den Gebieten der Simulation, sondern es existieren weitläufige Verbindungen zwischen dem Militär und der Unterhaltungsindustrie, welche dazu beitragen, militärische Denk- und Handlungsweisen in zivile Bereiche zu integrieren. Diese Entwicklungen tragen aktiv zu einer Banalisierung und Normalisierung militärischer Denk- und Handlungsweisen innerhalb der Gesellschaft bei. Anhand des von Tanja Thomas und Fabian Virchow vorgeschlagenen Forschungsfeldes und des von ihnen eingeführten Begriffs des “Banalen Militarismus” lässt sich dieses Phänomen gut bestimmen. Für (westliche) Armeen ist es in den allermeisten Fällen positiv, in Spielen dargestellt zu werden – deswegen unterstützten sie (ebenso wie die Rüstungsindustrie) auch sehr viele Produktionen. Da der Videospielmarkt vor allem in den USA große Umsätze verzeichnet, die USA Standort vieler großer Software-Firmen sind und das US-Militär das größte und modernste der Welt ist, schlüpfen die Spieler bei militärischen Videospielen meist in die Rolle des guten US-Soldaten. Neben diesem eigenen positiven Imagegewinn können mithilfe von Videospielen noch dazu Feindbilder hergestellt werden. Der durch die Spiele erzielte Image-Gewinn für die Armee ist das Eine, neue Rekruten sind das Andere.

Bundeswehr-Propaganda an Schulen Deutschlands

In Deutschland wird die Wehrpflicht zum 1. Juli 2011 ausgesetzt. Deshalb ist es für den Staat kommod, wenn schon Kindern das Militär und der Kampf in fremden Ländern mit Kriegsspielen schmackhaft gemacht wird. – Das erleichtert später die Anheuerung von Freiwilligen. – Propaganda für den Kriegsdienst wird in den Schulen der Bundesrepublik sowieso durchgeführt. Wie »Terre des hommes» schrieb, erreichten in Schulenim Jahr 2009 alleine die Jugendoffiziere und Wehrdienstberater der Bundeswehr 700‘000 Schüler, darunter auch Kinder von gerade einmal elf Jahren. Doch die Werbung für Militäreinsätze widerspricht den Prinzipien der UN-Kinderrechtskonvention, die auch Deutschland unterschrieben hat.“ Denn die darin verbrieften Kinderrechte gelten für alle unter 18-Jährigen.

Kinder sollen lernen positiv über die Rüstungsindustrie zu denken

Auch die Rekrutierung von Lehrlingen und Mitarbeitern für die Rüstungsindustrie wird in Deutschland zusammen mit Schulen gefördert: Der Rüstungskonzern EADS zum Beispiel bietet den Schülerinnen und Schülern viel: Praktika, Bewerbertraining und Betriebsbesichtigungen. Später gibt es vielleicht neue Computer. Ein Ingenieur könnte im Physikunterricht über Satelliten sprechen. Und die Gegenleistung? Die Schüler sollen positiv über EADS-Defence&Security denken. Die besten Schüler sollen zu EADS gelockt werden. Abhängigkeiten sollen entstehen. „Kann dann an diesen Schulen – z.B. in Religion, Ethik oder Gemeinschaftskunde – noch kritisch über die Rüstungsindustrie gesprochen und geschrieben werden?“, haben sich Lehrer gefragt.

Infos unter: http://waffenvombodensee.webnode.com/eads-betreibt-landschaftspflege-vier-schuleiter-fallen-darauf-rein/


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