Die Stadt Salzburg nennt nun den Makart-Steg in Feingold-Steg um. Hanna Feingold, Witwe des vor einem Jahr, am 19. September 2019, verstorbenen Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde in Salzburg, wollte eine Straße mit Postadresse – vorgeschlagen war die Umbenennung der Stelzhamer-Straße in Feingold-Straße – für den angesehenen Bürger, den zuletzt mit 106 Jahren ältesten Holocaust-Überlebenden Österreichs.
Als Demokratin nehme sie aber die Mehrheitsentscheidung des Stadtsenats – mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ und FPÖ; gegen die Stimme der Bürgerliste – zur Kenntnis, glücklich sei sie darüber nicht. Und Hanna Feingold fügt hinzu. „Was mich nur wundert: Max Reinhardt, Stefan Zweig und jetzt auch Marko Feingold – all das sind jetzt Plätze ohne Postadresse. Da frage ich mich, welches System das ist. Geniert man sich denn in Salzburg für seine Juden?“
Marko Feingold war unermüdlicher Mahner gegen Nazi-Verbrechen und ist – wie z.B. H.C. Artmann und Gerhard Amanshauser – Ehrenmitglied im Verein des Salzburger Literaturhauses, das er unterstützt und regelmäßig besucht hat. Wenn nun schon kein Einvernehmen mit der Witwe gefunden werden konnte, dann sollte man wenigstens bei heiklen Straßennamen eine erklärende Zusatztafel anbringen, fordert Tomas Friedmann, Intendant des Literaturhauses Salzburg. Als Beispiel nennt er den Schriftsteller Franz Stelzhamer: „Der Mundartdichter Franz Stelzhamer war Antisemit. Nach dem Autor der oberösterreichischen Landeshymne sind in Österreich zig Straßen und Gassen benannt, z.B. in Linz, Graz, Gmunden, Ried, Vöcklabruck und Wien – dort immerhin mit Zusatztafel samt Hinweis auf seine antisemitisch geprägten Texte. Eine Umbenennung der Stelzhamer-Straße in unmittelbarer Nähe der Synagoge wäre in der Stolperstein-Stadt Salzburg ein Zeichen der Zivilcourage.“ Es genüge nicht, den Bericht der Historiker-Kommission über Salzburger Straßennamen, die aus der NS-Zeit belastet sind, am Ende des Jahres abzuwarten. Antisemitimus gab es auch davor, wie z.B. in Schriften von Franz Stelzhamer (1802-1874), nachgewiesen u.a. vom Schriftsteller Ludwig Laher. Die Historikerkommission solle sich auch damit beschäftigen, Stadt und Land Salzburg hätten entsprechende Empfehlungen umzusetzen.
An Stelzhamer, der in Salzburg ein paar Jahre als Gymnasiast verbracht und später in Henndorf gewohnt hat, wo er starb (und dort eine Franz-Stelzhamer-Straße sowie eine Erinnerungstafel bekam), erinnert in der Mozartstadt, in der er mehrmals umgezogen ist, eine Gedenktafel in der Müllner Hauptstraße: In diesem Hause wohnte Franz Stelzhamer. Dort sowie beim Straßen-Schild könne eine Hinweistafel nach dem Vorbild Wiens angebracht werden: Viele seiner Texte sind geprägt von antisemitischen Stereotypen.
Ein anderes Beispiel sei der deutsche Dirigent und Komponist Hans Pfitzner (1869-1949), der in Salzburg eine Wahlheimat hatte und zeitlebens Antisemit und Verharmloser von Nazi-Verbrechen war. 1958 wurde im Salzburger Stadtteil Nonntal die „Hans-Pfitzner-Straße“ nach ihm benannt. Oder: Dem österreichischen Bildhauer, Hitler-Günstling und NSDAP-Mitglied Josef Thorak (1889-1952) schenkte die Stadt 1963 in Aigen eine Straße. Sie alle bräuchten wenigstens eine Zusatztafel – oder besser eine Umbenennung. Dabei sei verdienstvollen Künstlerinnen der Vorzug zu geben, denn nach Frauen sind in Salzburg nur rund 3 Prozent aller Straßen benannt.
Presseaussendung – Literaturhaus Salzburg
Tomas Friedmann, Leiter & Geschäftsführer
LITERATURHAUS SALZBURG
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