Ein in der Villa For Forest in Klagenfurt im Juli uraufgeführtes Tanztheater war am 24. November 2023 im MARK Salzburg zu erleben. Der Veranstaltungssaal des unabhängigen, offenen Kulturhauses für zeitgenössische Kunst und Kulturvermittlung bot das ideale Ambiente für dieses von Mohsen Rabie in Szene gesetzte intime Stück, das äußerst geschickt Ingeborg Bachmanns Texte mit Tanz und Videos verknüpft. Ein ganz besonderer, sehr ambitionierter Theaterabend, der mehr Publikum verdient hätte.
„Undine geht“ ist die letzte Erzählung in Ingeborg Bachmanns 1961 erschienenem Zyklus „Das dreißigste Jahr“. Es ist eine Abrechnung mit dem herrschenden Patriarchat, einer Männerwelt, die die Frau domestiziert. Der Mann verkörpert darin das rationale Prinzip und steht somit der Natur und dem Wasserwesen Undine gegenüber. In diesem gestörten Verhältnis zwischen den Geschlechtern werden die Frauen von monsterhaften Männern unterdrückt: „Ihr Monster mit den festen und unruhigen Händen!“
Alles beginnt mit der ersten Begegnung von Undine und Max. Er ist fasziniert von der geheimnisvollen jungen Frau, doch sie sträubt sich etwas. Bald jedoch gibt sie ihren Widerstand auf und lässt sich auf eine Beziehung ein. Die anfängliche Idylle trügt. Sie trinken gemeinsam ziemlich viel, doch wird auch heftig gestritten. Hans setzt immer öfter seine teuflische Maske auf. Es gefällt ihm nämlich gar nicht, wenn sie sich an ihre Schreibmasche setzt, um an ihrem Gedicht „An die Sonne“ zu arbeiten.
„Schöner als der beachtliche Mond und sein geadeltes Licht,
Schöner als die Sterne, die berühmten Orden der Nacht,
Viel schöner als der feurige Auftritt eines Kometen
Und zu weit Schönerem berufen als jedes andre Gestirn,
Weil dein und mein Leben jeden Tag an ihr hängt, ist die Sonne.“
Kein Wunder, dass sie schließlich ins Wasser zurückkehrt, um damit aus der Welt der Männer und der Welt überhaupt zu verschwinden. Undine ist bei Ingeborg Bachmann kein Lebewesen, sie verkörpert die Kunst.
Rosa Kofler tanzt als Undine in einem weißen Kleidchen so verführerisch, dass es kein Wunder ist, dass Hans (Leon Bernhofer) von ihr völlig fasziniert ist. Doch wie Ingeborg Bachmann erlebt sie nur Enttäuschungen und Verletzungen. Tänzerisch setzen die beiden die Zerrissenheit des Paares sowie den Zwang zu lieben und gleichzeitig die Flucht vor der Liebe wunderbar um. Dieser tänzerische Beziehungsstress findet vor einer grandiosen Videowall statt, die neben malerisch im Meer schwebenden Medusen auch Filmausschnitte zeigt. Das alles, untermalt von Zahra Manis stimmungsvoller Musik, gibt großartige Bilder.
Ein ganz spezieller Theaterabend, der mich nach langer Zeit wieder einmal ins MARK gelockt hat. Es hat sich gelohnt.
„Undine“ – Regie, Drehbuch, Textbearbeitung: Mohsen Rabie. Musik: Zahra Mani. Film: Leon Bernhofer. Bühnenbild: Karl Vidic. Licht und Technik: Konrad Überbacher. Mit: Rosa Kofler und Leon Bernhofer. Fotos: Bilder von der Aufführung in Klagenfurt © Valeria Tcitcura und vom Shooting in Triest © Leon Bernhofer
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