Im Kleinen Theater widmeten Johanna Orsini und Martina Spitzer dem literarischen Werk der österreichischen Schriftstellerin Elfriede Gerstl (1932-2009) eine Live-Radiosendung. Gekonnt mixten sie Biografisches mit Gedichten, Essays, Gedankenfragmenten und „Hörstücken“ der großen, leider relativ unbekannten Dichterin. Das Publikum genoss diesen bizarren, etwas schrägen Theaterabend am 26. November 2023 und spendete den beiden großartigen Schauspielerinnen kräftig Applaus.
Dieses Aufnahmestudio hat wohl auch schon bessere Zeiten gesehen. Martha und Hanna, die gleichzeitig Tonmeisterinnen und Moderatorinnen sind, müssen erst noch einiges erledigen, bevor sie mit ihrer Jubiläums-Literatur-Sendung „on air“ gehen können. Kabel müssen ineinandergesteckt und überall festgeklebt werden. Das wirkt alles chaotisch und etwas provisorisch. In Schale geworfen haben sich die beiden auch nicht. Die alten Morgenmäntel tun es auch, denn das Publikum sieht sie ja nicht, also Hauptsache bequem.
Sobald die Glühbirne rot aufleuchtet, gehen Martha und Hanna aber ganz professionell an die Arbeit. Diese Sendung soll eine Hommage an Elfriede Gerstl sein, da muss natürlich Elfriede Jelinek zitiert werden:
„Ich verlange, dass die Werke Elfriede Gerstls die nächsten hundert Jahre (und noch viel länger) gelesen werden. Das ist eine Stimme in der österreichischen Literatur, die nie verstummen darf. Diese gellende Leichtigkeit, diese zarten, aber durchdringend leisen Gedanken dürfen nicht in Vergessenheit geraten.“
Elfriede Jelinek
Dann geht es los mit ein paar „Denkkrümeln“:
„Was mir mangelt ist Überfluss.“
„Authentisch ist, wer nichts anders kann.“
„Meine Neurose gehört mir.“
Köstlich die Gespräche von verschiedenen Pärchen in einem Wiener Beisl. Elfriede Gerstl, eine engagierte Feministin, hat sich besonders dem Thema der Geschlechterrollen verschrieben. So rechnet sie mit narzisstischen Männern ab, die sie für emotionale Neandertaler hält. Auch mit Krankheit und Tod setzt sie sich schmunzelnd auseinander, wie ihr Gedicht „guter-oldie-morgen“ beweist.
otto ist schon operiert
hanna geht grad ins spital
ernie hat Angst vor der magensonde
geht aber hin (…)
gestorben ist diese woche noch niemand
lass uns morgen wieder telefonieren
Zwischen den Texten wird Musik, Lieblingsstücke der Autorin von Ella Fitzgerald bis zu den Beatles, eingespielt. Während dieser kleinen Pausen haben die etwas schrulligen Damen Zeit für eine kleine Jause. Umständlich wird Kaffee gekocht. Das Kochen von Eiern lenkt sie aber so ab, dass sie ihren Einsatz übersehen. Sie sind jedoch kreativ und produzieren einfach Störgeräusche. Auch für die angekündigte, aber leider unauffindbare Interview-Kassette findet sich eine Ersatzlösung. Johanna Orsini und Martina Spitzer sind an diesem Abend voll im Einsatz, sind sie doch wirklich für alles zuständig. Wenn gar nichts mehr geht, dann greifen sie eben zur Gitarre.
Obwohl die Texte von Elfriede Gerstl voll Humor sind, agieren die beiden Damen mit grimmiger Entschlossenheit, denn es handelt sich ja schließlich um eine Literatursendung und da ist Ernsthaftigkeit gefragt. Ein wirklich ganz außergewöhnlicher, skurriler, doch äußert liebevoll gestalteter Theaterabend.
„wannst net sterbst sehn ma uns im nächsten herbst“ – Ärger als arg kanns eh nicht werden: Ein witzig-skurriler Theaterabend mit Texten von Elfriede Gerstl. Regie: Johanna Orsini, Martina Spitzer. Bühnenbild: Johanna Orsini, Martina Spitzer. Kostüm: Johanna Orsini, Martina Spitzer. Es spielen: Johanna Orsini, Martina Spitzer. Eine Produktion von Pistoletta Productions. Ehrenschutz: Elfriede Jelinek. Fotos: Titel – © Katsey, Galerie – © Anna Stöcher
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