In der ARGEkultur hat sich Schauspieler, Autor und Regisseur Max Pfnür wirklich viel vorgenommen. Ganze fünf Stunden lang will er das Publikum mit Faust I und II im Alleingang beglücken. Doch er ist tolerant und ermuntert zu Bewegung im Raum, ersucht aber um respektvollen Umgang. Bei der Premiere am 14. November 2024 funktioniert das bestens. Auch wenn der Künstler wirklich fünf Stunden auf der Bühne ausharrt, fordert Regisseur Benjamin Blaikner doch Pausen ein. Ein intensiver Theaterabend mit einem überragenden Max Pfnür, den das Publikum wohl so schnell nicht vergessen wird.
Schon im Foyer wird klar, dass das Theater der Mitte mit Open Mind Frequently gemeinsame Sache macht. Eine Beratungsstelle für Zärtlichkeit lädt zum Perspektivenwechsel ein. Hier kann man jederzeit zum Basteln, Lesen, Essen, Trinken oder Reden zusammenkommen. Für einen ganz persönlichen Perspektivenwechsel bekommt man einen Umschlag, den man aber erst im Laufe des Abends öffnen soll.
Nun geht es rein in der Saal, denn Max Pfnür steht schon auf der Bühne, eigentlich in Fausts „enger Zelle“. Zu Beginn dürfen wir dem „Vorspiel auf dem Theater“ und dem „Prolog im Himmel“ lauschen. Im Studierzimmer gerät Faust dann in eine Sinnkrise und beschließt, sich zu vergiften. Das Ertönen der Osterglocken hält ihn jedoch davon ab. Auf einem Spaziergang mit seinem Famulus taucht ein schwarzer Pudel auf, der sich nicht mehr abschütteln lässt. Des Pudels Kern ist Mephisto und der verspricht dem frustrierten Gelehrten alles Glück der Erden, wenn er im Gegenzug seine Seele bekommt. Dann geht es ab in „Auerbachs Keller“ und anschließend in eine Hexenküche, wo Faust ein Zaubertrank zu einem begehrenswerten jungen Mann macht.
Die keusche, fromme Margarethe ist schließlich die Auserwählte, die er natürlich ins Unglück stürzt. In der Walpurgisnacht erscheint sie ihm als blasses, vom Elend gefangenes Kind. Er verlangt von Mephisto: „Rette Sie!“. Leider geht das schief, denn Margarethe graut bereits vor Heinrich.
Die Vorstellung hat um 18 Uhr begonnen und nach dreieinhalb Stunden ist nun Faust I vorbei. Ich muss gestehen, dass ich auf Faust II verzichtet habe, denn mir war klar, dass sich das mit Ende 23 Uhr nicht ganz ausgehen kann. Volle Bewunderung an alle, die durchgehalten haben.
Was Max Pfnür an diesem Abend leistet ist phänomenal. Mit ganz wenigen Requisiten, die er aus einer schwarzen Kiste zaubert, schafft er die zahlreichen Verwandlungen. Auch stimmlich und mimisch variiert er sensationell. Als Famulus wirkt er leicht naiv mit Brille, als Mephisto reicht eine weiße Schnabelmaske. Aus einem Multifunktionsmantel wird ein Kleid für Margarethe. Die Kupplerin Marthe Schwertlein bekommt dank eines Schals rote Haare. Das Getümmel des Dorfes und andere Szenen werden mit Videos eingespielt und auch hier ist ausschließlich Max zu bewundern. Regisseur Benjamin Blaikner sorgt am Mischpult für tolle, oft auch teuflische Lichteffekte und den richtigen Ton. Roli Wesp ist für die musikalische Untermalung zuständig.
Die Beratungsstelle für Zärtlichkeit macht sich zwischendurch immer wieder bemerkbar und versucht, zum Perspektivenwechsel einzuladen. Ich persönlich war so fasziniert von Max Pfnürs theatraler Meisterleistung, dem großartigen Text mit den unzähligen Zitaten, dass ich absolut keine Zeit hatte, mich mit den Schrecken des Patriarchats zu beschäftigen. Ein grandioser Theaterabend, der volle Konzentration auf der Bühne und im Zuschauerraum verlangt. Sensationell!
„Zwei Seelen wohnen, ach! In meiner Brust“ – Johann Wolfgang von Goethe: Faust I „Die Heilung der Krise in den Herzen der Männer erfordert von uns allen die Bereitschaft, der Tatsache ins Auge zu sehen, dass die patriarchale Kultur von Männer verlangt hat, dass sie geteilte Seelen sind.“ – hell hooks: Männer, Männlichkeit und Liebe | „WEISSER MANN:FAUST“ – Theater der Mitte. Schauspiel, Textfassung: Max Pfnür. Musik: Roli Wesp. Regie: Benjamin Blaikner. Kostüm: Franziska Krug. Open Mind Frequently in der ARGEkultur. Foto: ARGEkultur | © Wolfgang Lienbacher
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